Keine Lust, den Schreibtisch aufzuräumen? Wie Sie unangenehme Aufgaben besser ertragen
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Lästige, aber nützliche Aufgabe: den Schreibtisch aufräumen.
© Quelle: David Emrich/Unsplash
Es gibt Dinge, die Sie bei der Arbeit nicht tun wollen, aber doch tun müssen. Kaum einer springt vor Begeisterung an die Decke, wenn er seinen Schreibtisch aufräumen oder eine Routinearbeit erledigen muss. Kaum einer führt gern ein Kritikgespräch oder liebt es, sich von einer bewährten Software in eine neue einzuarbeiten, nur weil die IT‑Abteilung das so entschieden hat. All das tun wir nicht, weil wir es aus tiefstem Herzen wollen, sondern weil wir uns dazu gezwungen sehen.
Und genau hier liegt ein Problem, das der Philosoph Friedrich Nietzsche analysiert hat. Seine Philosophie kreist um den Begriff „amor fati“, also Liebe zum Schicksal. Für ihn besteht diese Liebe darin, „dass man nichts anderes haben will, vorwärts nicht, rückwärts nicht, in alle Ewigkeit nicht. Das Notwendige nicht bloß ertragen, (…) sondern es lieben.“
„Wie müssen Sie denken, um sich auf die Aufgabe zu freuen?“
Ein Klient von mir hat es immer gehasst, seinen Schreibtisch am Ende einer hektischen Woche aufzuräumen. Seine Laune sackte in den Keller, sobald er auch nur ans Aufräumen dachte. Und so schob er es ewig vor sich her. Und weil sein Schreibtisch immer unordentlicher wurde, wuchs seine Abneigung gegen die immer größere Aufräumarbeit. In der Beratung fragte ich ihn: „Warum haben Sie sich entschlossen, das Aufräumen Ihres Schreibtisches zu hassen?“ – „Was heißt hier entschlossen?“, fragte er zurück. „Das ist einfach so.“
Ich stritt das ab und sagte: „Sie haben die Chance, sich für eine Haltung zu entscheiden. Überlegen Sie einfach mal, wie Sie denken müssten, um sich auf diese Arbeit zu freuen.“ Nach einigem Hin und Her ließ er sich auf diese Herausforderung ein. Und schließlich sagte er: „Ich müsste mich daran erfreuen, was ich im Laufe der Woche alles geschafft habe. Ich müsste bei jedem Dokument denken, das sei eine Art Quittung für eine gelungene Arbeit. Und je mehr solcher Quittungen auf meinem Schreibtisch liegen, desto produktiver ist die Woche für mich verlaufen. Und ich müsste mir bewusst machen, welchen Vorteil das Aufräumen für mich hat. Zum Beispiel beruhigt es mich innerlich, wenn ich dabei sehe, dass ich keinen Vorgang vergessen habe. Und es ist ein schönes Gefühl, am Montag wieder an einen aufgeräumten Schreibtisch zu kommen. Außerdem kann ich beim Aufräumen nichts falsch machen. Es ist eine entspanntere Arbeit als zum Beispiel ein Vertragsgespräch, bei dem viel auf dem Spiel steht und etwas Unvorhergesehenes passieren kann.“
Lieben, was man tut
Das können Sie auf alle scheinbar unangenehmen Arbeiten übertragen: Was passiert, wenn Sie sich dafür entscheiden, das nächste Kritikgespräch zu lieben? Vielleicht denken Sie bislang: „Schrecklich, ich muss einem anderen Menschen etwas Unangenehmes sagen. Dabei bringe ich ihn und mich in Verlegenheit. Muss das wirklich sein?“ Das wäre eine ablehnende Haltung. Akzeptanz klänge so: „Was für eine tolle Gelegenheit, meine Konfliktfähigkeit an einem praktischen Beispiel zu trainieren. Ich freue mich schon richtig darauf, dass ich diesmal wirklich ausspreche, was mir auf der Seele liegt. Aber ich werde es so sachlich und respektvoll tun, dass nicht nur ich gewinne, sondern auch mein Gesprächspartner.“
Machen Sie es, wie Nietzsche es vorschlägt. Sorgen Sie dafür, dass Sie lieben, was Sie tun.
Martin Wehrle ist Karrierecoach und Bestsellerautor. Sein aktuelles Buch: „Den Netten beißen die Hunde: Wie Sie sich Respekt verschaffen, Grenzen setzen und den verdienten Erfolg erlangen“.
In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Experten und Expertinnen zu den Themen Partnerschaft, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit. Martin Wehrle ist Karriereberater.