Alice im Wanderland

„Forspoken“ im Test: Warum sich das Videospiel trotz Schwächen lohnt

Die Hauptfigur Frey schwebt in „Forspoken“ durch beeindruckende Panoramen.

Die Hauptfigur Frey schwebt in „Forspoken“ durch beeindruckende Panoramen.

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Die größte Stärke von „Forspoken“ ist wahrscheinlich die Fortbewegung. Die junge New Yorkerin Frey Holland stolpert durch ein Dimensionstor in eine magische Welt, in der sie nicht nur zaubern kann, sondern auch übernatürlich rasen, springen und schweben. Die Fortbewegungsmethode ist nicht sehr präzise, aber berauschend schnell. Einfach durch die üppigen Panoramen zu zoomen macht Spaß für viele Stunden.

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Das ist nett, aber „Forspoken“ verfolgt eigentlich größere Ziele. Das Spiel ist ein hochoffiziell gehypter, seit Jahren beworbener Prestigetitel, zum Vollpreis erhältlich für die Playstation 5. (Und mit happigen System­anforderungen auch für den PC. Getestet haben wir die PS-5-Version.)

Grafik krankt: einfallslose Architektur und hölzerne Bewegungen

Genau hier stolpert das Spektakel bereits. Vom Start weg sieht „Forspoken“ gut aus, aber mit Referenztiteln wie „Horizon: Forbidden West“ oder „God of War: Ragnarök“ kann es nicht mithalten. Immer wieder zeigt das Spiel mit Prachtgrafik, warum es nicht auf der Playstation 4 läuft. Umso altbackener wirkt es, wenn Charaktere nicht einmal überzeugend in einen Apfel beißen können. „Forspoken“ bietet eine riesige Spielwelt voller beeindruckender Details mit tollen Lichtstimmungen. Es krankt aber auch an einfallsloser Architektur, in der Menschen mit steifen Gesichtern herumstehen und sich hölzern bewegen.

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Besonders die Geschichte erlebt Qualitätssprünge im wilden Wechsel. In einigen aufwendig inszenierten Zwischen­sequenzen wirken die Charaktere lebendig und menschlich. Dann aber rutschen Szenen ins Melodramatische und werden unfreiwillig komisch. Mal sind die Dialoge witzig, mal irrlichtern sie zwischen B‑Movie und Seifenoper.

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Dabei hat die Alice-im-Wunderland-Geschichte über die lange Strecke echte Stärken. Die Heldin Frey ist eine kleinkriminelle Vollwaisin aus New York. Die Einführung wird unbeholfen erzählt und greift dabei auch noch zu billigen Klischees, aber sie ist schnell vorbei. Und dann steht die auch auf Deutsch sehr lebendig gespielte Frey in Fantasy-Ruinen herum und fragt sich fluchend, was das soll.

Unterhaltsame Geschichte und beeindruckende Natur

Den Mix aus Moderne und Fantasy könnten „Final Fantasy“-Fans auf der Suche nach dem neuen Abenteuer von Square Enix auch anstrengend finden. Jeder Mensch aber, der schon einmal genervt auf einem Mittel­alter­markt gestrandet ist, kann hier mitlachen. In der Fantasywelt Athia muss die Welt gegen die „Verderbnis“ gerettet werden, es geht durch mehrere Reiche und gegen mächtige, wahnsinnig gewordene Matriarchinnen. Dass Frey hemmungslos flucht und Dinge „cool“ oder „geil“ findet, nimmt der Sache viel von ihrem pompösen Ernst. Und auf der Reise gibt es durchaus auch starke Ideen und berührende Szenen.

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Wenn sich das Spiel nicht gerade durch eine langatmige Zwischensequenz quält, sieht es gut aus. Frey erspielt sich eine große, offene Welt mit verschiedenen Regionen. Typisch für das Open-World-Genre sind die zahllosen Ausrüstungsstücke, Materialien und Herausforderungen auf der Karte. Frey sammelt Erfahrung, mit der sie ihren magischen Talentbaum füttert. Sie sammelt allerlei Krempel, teilweise wirklich aus dem Müll, um sich Extras und Boni daraus zu basteln, vom Heiltrank bis zu kleinteiligen Waffeneffekten. Sie durchquert Labyrinthe, entdeckt Fotospots, Schnellreisepunkte und Storyschnipsel.

Frey flucht gern, findet vieles aber auch „cool“ und „geil“ – und sie kann Parcours.

Frey flucht gern, findet vieles aber auch „cool“ und „geil“ – und sie kann Parcours.

Die Erkundung der offenen Spielwelt und das Kämpfen sind mindestens so wichtig wie die Geschichte. Glücklicherweise zeigt sich „Forspoken“ hier richtig stark: nicht originell, aber wirklich unterhaltsam. Über Steppe und Schluchten zu zoomen wird nicht langweilig. Auch bei den Kämpfen spielt Freys spektakulärer Nonstop-Parcours eine Schlüsselrolle. Während sie ausweicht, muss sie in schnellem Wechsel Zaubersprüche auf Gegner feuern. Wenn sie die Schwächen richtig ausnutzt und in Bewegung bleibt, gehen die Kämpfe schnell über die Bühne und erinnern optisch an ein Feuerwerk. Das ist nicht tiefgründig, aber sehr unterhalt­sam. Der Schwierigkeitsgrad ist fein einstellbar und deckt eine große Bandbreite ab. So wirkt das Abenteuer einladend.

Gute Laune in der zweiten Liga

Spätestens, wenn Frey wieder in der Stadt herumsteht, ihre tollen Parcours-Moves nicht benutzen darf und sich durch lieblose Nebenmissionen quält, wird die Begeisterung wieder gelöscht. „Forspoken“ wirkt in solchen Momenten unzusammenhängend, als würden die Teile aus verschiedenen Spielen stammen. Und in den Dialogen hört es sich öfter so an, als hätten die Menschen auch nicht so genau gewusst, was ihr Gegen­über sagt. Unpassend wirkt an diesem Spiel sogar die USK‑Altersfreigabe ab 16. Ton und Plot wären wie gemacht für jugendliche Spielerinnen und Spieler. Die brutale Härte der Geschichte zeigt sich nur in bestimmten Szenen und wirkt dann aufgesetzt.

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Ein Prestigespiel, für das Menschen sich vielleicht sogar eine Playstation 5 kaufen, ist „Forspoken“ also nicht geworden. Aber jenseits der Frage, ob es die fälligen 70 Euro wert ist, bereitet es viel Spaß. Wer sich davon frei machen kann und gern auch mal über ein Spiel lacht, der wird hier gut unterhalten. Wie in einem B‑Movie.

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