Vieles bleibt Kulisse

„Hogwarts Legacy“ im Test: seicht, aber perfekt für die Realitätsflucht

Das neue Videospiel „Hogwarts Legacy“.

Das neue Videospiel „Hogwarts Legacy“.

Der Traum von der Flucht in eine bessere Welt ist nicht neu. Besonders erfolgreich hat ihn Harry Potter geträumt. Und besonders gut verstanden haben das die Menschen hinter dem neuen Videospiel „Hogwarts Legacy“. Das Spiel ist nach zahlreichen Kontroversen für PC, Xbox Series und Playstation 5 erhältlich, später auch für Playstation 4, Xbox One und Nintendo Switch.

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„Hogwarts Legacy“ lässt sich als ein Action-Rollenspiel mit offener Spielwelt beschreiben, aber vor allem eine Idee steckt hinter jedem Element des Spiels: Es soll Fans der Serie in eine Fantasiewelt locken, ihnen den Traum von einer Schullaufbahn in Hogwarts virtuell erfüllen. Hier geht es ums Zaubern, Forschen, Schleichen, Lernen, Rätseln, Fliegen und Kämpfen. „Hogwarts Legacy“ ist weniger der Vertreter eines bestimmten Genres; es ist eher ein virtueller Vergnügungspark.

Der Name ist Programm. Interessanter und lebendiger als alle Menschen in diesem Spiel ist Hogwarts als Schauplatz. Die Zauberschule und die überraschend große Spielwelt drumherum sind der Star. Die Revue führt durch die bekannten Schauplätze der Schule, entwirft eine ganze Reihe neuer Orte, und arrangiert alles als eine Art Labyrinth. Nur dank der starken magischen Wegweiser haben wir uns nicht ständig verlaufen. Vollgestopft mit Rätseln, Sammelobjekten, Artefakten und Charakteren ist der Campus. Das Nötigste wird zwar erklärt, aber das Spiel richtet sich sehr deutlich an ein Publikum, das die zahllosen Anspielungen versteht.

Die Zauberschule und die überraschend große Spielwelt drumherum sind der Star bei „Hogwarts Legacy“.

Die Zauberschule und die überraschend große Spielwelt drumherum sind der Star bei „Hogwarts Legacy“.

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Eine Schule für gestandene Potter-Fans

Allein schon deswegen ist die Altersfreigabe ab 12 Jahren angemessen. Wer „Hogwarts Legacy“ genießen will, sollte die Serie bereits kennen. Verdient ist das USK-12-Siegel aber auch dank zahlreicher Schreck- und Gruselmomente. Schon die Eröffnung des Spiels enthält dramatische Höhepunkte und konfrontiert die frisch gebackenen Zauberschülerinnen und Zauberschüler mit furchteinflößenden Gegnern.

Nicht nur deswegen wirkt die Einführung in die Geschichte überhastet. Mit wenig Vorerklärung erstellen wir uns das eigene Schulkind, das aber fast erwachsen aussieht und als Quereinsteiger in die Klassenstufe fünf sortiert wird.

Wer so spät eingeschult wird, muss viel nachholen. Bis weit in die Story hinein werden neue Spielelemente eingeführt. Das ist nicht herausfordernd, die meisten Aufgaben sind eher einfach. Aber es wird unübersichtlich und fühlt sich häufiger so an, als hätte das Tutorial nie aufgehört. Die Lernaufgaben passen aber auch zum Setting. Natürlich müssen wir viel nachholen – wir sind ja in der fünften Klasse und beherrschen anfangs kaum einen Zauberspruch.

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Eine Schule mit Battle Pass

Der Fortschritt wird in dem Spiel auf originelle Weise erfasst. Unser magisches Buch, der „Field Guide“, funktioniert wie ein Battle Pass in einem Onlinespiel. Hier wird mit einer ganzen Reihe von Balken erfasst, was wir gesammelt und geleistet haben. Dafür gibt es dann zahllose kleine Belohnungen, etwa neue Ausrüstung oder größere Taschen.

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Über den Lauf des Spiels hinweg lernen wir eine große Zahl von Zaubersprüchen, bestreiten Duelle, züchten Kräuter und brauen Tränke daraus, sausen irgendwann sogar durch die Lüfte. „Hogwarts Legacy“ ist kein besonders tiefgründiges Spiel, aber ein sehr abwechslungsreiches – es wird nicht komplex, bietet aber über eine sehr lange Zeit neue Aktivitäten, die das Spiel auch wirklich bereichern.

Originell sind die meisten Aktivitäten nicht unbedingt. Den größten Spaß hatten wir mit den variierten Rätseln und Sammelobjekten rund um die Schule, in denen es um gute Beobachtung und Kombination geht. Das größte, wichtigste Hindernis im Spiel sind aber magische Kämpfe. Ausweichen, Schutzzauber und diverse Angriffsmöglichkeiten müssen im schnellen Wechsel kombiniert werden, um gegen allerlei Monster und Schurken zu bestehen. Das wird uns im Lauf des Spiels etwas zu viel – unsere Schülerin wird praktisch zur Actionheldin. Die Gegner sind zahlreich, die Lebensenergiebalken lang. Doch die Scharmützel sind durchaus gut umgesetzt, sie fordern Taktik und Geschick. Wem sie zu schwer sind, der kann sie auch auf wirklich leichte Schwierigkeiten herunterregeln. Insgesamt hat das Spiel eine Reihe von Funktionen für Barrierefreiheit.

Eine Schule wie im Kino

Schon beim Zuschauen kann „Hogwarts Legacy“ dank seiner prächtigen Grafik beeindrucken. Die magische Schule ist nicht nur sehr originalgetreu im Geist der Filme umgesetzt, sie sieht auch lebensecht aus. Bisher ist das Spiel nur für neuere Hardware erschienen, und hier ist es bis auf ein paar technische Macken beeindruckend. Die Gesichter bleiben bei Nahaufnahmen etwas ausdruckslos und steif. Aber wie sich das Licht im Marmorboden spiegelt, wie natürlich Materialien wirken und wie absolut voll geräumt diese Welt mit liebevoll gestalteten Details ist, das ist bemerkenswert. Normalerweise stecken große Spielwelten voller Wiederholungen; ihnen ist anzusehen, dass nicht alles von Menschenhand gestaltet wurde. In „Hogwarts Legacy“ ist es genau umgekehrt. Die Welt sieht nach viel Arbeit aus, und vor allem auf dem Schulgelände wirken die Details geradezu übertrieben.

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Die voll geräumte Optik ist aus den Filmen entliehen, und auch dort wurde sie nicht unbedingt erfunden. „Hogwarts Legacy“ stürzt sich mit voller Wucht in die Klischeevorstellung britischer Gemütlichkeit, einer Welt, in der alles handgemacht, etwas unaufgeräumt und kauzig ist, in der immer Teetässchen in Reichweite stehen, und in der die Menschen dick aufgetragene Dialekte sprechen (zumindest in der englischen Sprachversion). Das ist beeindruckend, aber es verstärkt auch den Eindruck eines Harry-Potter-Vergnügungsparks. Zumal die Welt nicht so lebendig und interaktiv ist, wie sie aussieht. Vieles bleibt Kulisse.

Eine Schule ohne J. K. Rowling

Nicht so aufregend wie gedacht ist auch die Geschichte. Sie läuft etwas unverbindlich neben dem Schulalltag her und verliert dadurch an Dringlichkeit. Hier gibt es spannende Momente, aber keinen überraschenden oder gut geschriebenen Konflikt. Stärker wirkt das Spiel, wenn es sich seinem Publikum zuwendet. Bei der Erstellung der eigenen Heldin oder des eigenen Helden gibt es viele Freiheiten. Auch die Erstellung von trans Charakteren ist übrigens kein Problem – Stimme, Titel und Aussehen werden frei und unabhängig voneinander eingestellt.

Genau hier setzt das Entwicklerstudio auch einen recht offensichtlichen Akzent gegen die Potter-Schöpferin J. K. Rowling und ihre Twitter-Polemik gegen trans Menschen: In einer wichtigen Nebenrolle taucht in diesem Spiel mit großer Selbstverständlichkeit ein trans Mann auf. Die Rolle ist stark und sympathisch geschrieben.

Ein technisches Meisterstück ist „Hogwarts Legacy“ geworden, es setzt erfolgreich neue Akzente, aber ein Meisterwerk ist es nicht. Doch der Trick funktioniert – zumindest für Fans dieser Welt dürfte das Spiel einen Traum erfüllen.

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