Spermien werden gelähmt

Soll sofort wirken: Durchbruch bei der Suche nach Verhütungspille für Männer?

Schon seit den Siebzigerjahren versucht die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Pille für den Mann zu entwickeln. Mittlerweile gibt es mehrere viel versprechende Ansätze.

Schon seit den Siebzigerjahren versucht die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Pille für den Mann zu entwickeln. Mittlerweile gibt es mehrere viel versprechende Ansätze.

Seit vielen Jahren wird daran geforscht, ein sicheres Verhütungsmittel für Männer zu entwickeln. Bis zur Marktreife hat es aber noch kein Präparat geschafft. Versucht wurde meistens, die Spermienbildung zu unterdrücken. In klinischen Versuchen wirksam waren hierbei das männliche Sexualhormon Testosteron, aber auch andere Substanzen.

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Hormonelle Verhütungsmittel lösen jedoch oft Nebenwirkungen aus. Bei der Einnahme von Testosteron drohen Gewichtszunahme, Depressionen und ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten.

Ähnliche Nebenwirkungen gibt es zwar bei der Anti-Baby-Pille für Frauen. Es wird aber befürchtet, dass ein vergleichbares Präparat unter Männern nicht genug Absatz finden könnte. Ehe ein Verhütungsmittel für Männer breit angewendet werden kann, muss außerdem sichergestellt sein, dass es die Zeugungsfähigkeit nicht dauerhaft beeinträchtigt. Und auch wenn eines Tages hormonelle Verhütungsmittel für Männer auf den Markt kommen, haben diese einen gemeinsamen Nachteil: Sie müssten wochenlang regelmäßig eingenommen werden, ehe ihre Wirkung eintritt und keine zeugungsfähigen Spermien mehr vorhanden sind.

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Ein Team um den New Yorker Pharmakologie­professor Lonny Levin arbeitet nun an einer Pille für den Mann, die Spermien nur vorübergehend außer Gefecht setzt. Und zwar unmittelbar nach deren Einnahme, 24 Stunden später soll die Fruchtbarkeit wieder vollständig hergestellt sein. Das Mittel soll zudem keine oder nur wenig Nebenwirkungen auslösen. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen setzen auf den Wirkstoff TDI-11861, der das Enzym lösliche Adenylylzyklase (sAC) blockiert. Dieses wiederum spielt eine wichtige Rolle dabei, Spermien zu aktivieren und beweglich zu machen.

Nach 30 Minuten tritt Wirkung ein

In Tierversuchen mit Mäusen konnte die Substanz TDI-11861 die Bewegungsfähigkeit der Spermien aufheben. 30 Minuten, nachdem männlichen Mäusen das Mittel verbreicht worden war, waren ihre Spermien gelähmt und dadurch unfähig, im Körper weiblicher Mäuse zu deren Eizelle zu gelangen. Zwei Stunden lang lag die Wirkung des Verhütungsmittels bei 100 Prozent, nach drei Stunden lag sie noch bei 91 Prozent. 24 Stunden später war die Wirkung des Mittels vollständig aufgehoben und die männlichen Mäuse waren wieder genauso fruchtbar wie zuvor. Die Paarungsfähigkeit und das Sexualverhalten der Tiere wurden durch das Mittel nicht beeinflusst.

Bei den Mäusen traten keine Nebenwirkungen auf, auch dann nicht, als ihnen das Verhütungsmittel sechs Wochen lang verabreicht wurde. Nebenwirkungen seien bei einer Hemmung der löslichen Adenylylzyklase (sAC) zwar grundsätzlich möglich, schreiben die Forscher und Forscherinnen in ihrer Studie. Aber nur, wenn das Enzym dauerhaft fehle, drohten negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Das Risiko für ein Glaukom oder Nierensteine wäre dann erhöht.

Falls TDI-11861 auch bei Menschen wirkt, wäre damit ein Verhütungsmittel für Männer gefunden, das sie spontan kurz vor dem Sex einnehmen können. TDI-11861 wäre zwar nicht die einzige Alternative zu Hormonen, die als Verhütungsmittel für Männer infrage käme. Forscher und Forscherinnen der Universität Minnesota konnten die Zeugungsfähigkeit von männlichen Mäusen um 99 Prozent reduzieren, indem sie ihre Rezeptoren für Retinsäure blockierten. Retinsäure ist eine Form von Vitamin A und wichtig für die Spermienbildung und deren Reifung. Ein Retinsäureblocker hätte – wenn er denn auch bei Menschen funktioniert – nicht die Nachteile eines hormonellen Verhütungsmittels.

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Er wäre aber nicht so schnell wie TDI-11861 wirksam, sondern erst nach vier Wochen Einnahme. In Versuchen mit Makaken konnte zudem ein Protein die Schwimmfähigkeit von Spermien hemmen und diese so an einer Befruchtung hindern. Die vollständige Wirkung trat aber auch hierbei nicht sofort, sondern erst nach 30 Stunden ein. Die schnelle Wirksamkeit wäre also tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal, wenn es gelingt, aus TDI-11861 eine Pille für den Mann zu entwickeln.

Pille für den Mann: weitere Untersuchungen nötig

Ob sich die Ergebnisse aus den Tierversuchen übertragen lassen, muss sich aber noch zeigen. Die Frage ist, ob die Wirkdauer des Medikaments genügt, um bei Menschen eine Empfängnis zu verhindern. Denn dafür reicht es vielleicht nicht aus, dass die Spermien zum Zeitpunkt des Samenergusses gelähmt sind. Im weiblichen Körper sind Samenzellen bis zu fünf Tage lang überlebensfähig, sobald sie einmal bis in die Gebärmutter gelangt sind. Eine Pille wäre nur dann sicher wirksam, wenn sie verhindert, dass die Spermien bis in die Gebärmutter vordringen.

Die Studienautoren und -autorinnen bauen darauf, dass das möglich ist. So gelangen die Samenzellen nach der Ejakulation zunächst in die Scheide. Um eine Eizelle befruchten zu können, müssen sie dann den engen Hals der Gebärmutter passieren, um von dort weiter durch den Uterus bis in den Eileiter vorzudringen. Die Forscher und Forscherinnen glauben, dass das den Spermien nicht gelingt, wenn sie lange genug gelähmt werden. Sie würden stattdessen in der Vagina zurückgehalten, die einen sauren pH-Wert hat. Dort würden sie absterben und niemals in die Gebärmutter gelangen, so die Hoffnung. In klinischen Studien mit Menschen muss all das aber noch überprüft werden. Ehe die schnelle Verhütungspille für Männer anwendungsreif wird, wird es also in jedem Fall noch dauern.

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