Lecker und gesund: Warum Senf ruhig öfter auf den Teller kommen darf
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Senf passt nicht nur zu Bratwurst.
© Quelle: Floortje/iSTockphoto
Welches Andenken bringt man aus Dijon mit? Natürlich den weltberühmten Senf. Wer sich im vergangenen Sommer mit der Spezialität eindecken wollte, musste allerdings mit einer kleinen Enttäuschung rechnen: Wegen Ernteausfällen in Kanada war Dijon-Senf so rar geworden, dass er zwischenzeitlich vergriffen war und Touristen mit leeren Taschen abfahren mussten. Auch Deutschland, hieß es, könnte eine Senfkrise bevorstehen – hier aufgrund des Kriegs in der Ukraine. Derzeit sei die Lage jedoch entspannt, beruhigt der Lebensmittelverband Kulinaria.
Je mehr Senfsaat der Senf enthält, desto besser
Zugegeben: Ein Verzicht auf Senf wäre nicht gerade existenzbedrohend. Aber immerhin handelt es sich um ein Würzmittel, das auch in Deutschland zum Alltag gehört, sei es als klassischer Dipp zur Bratwurst oder als Soßenwürze. Im Jahr verspeist der Durchschnittsbürger auf diese Weise etwa 850 Gramm der gelben Paste. Geht es um die Gesundheit, dürfte es ruhig auch mehr sein. „Ganz pauschal kann man sagen: Für Menschen, die keine Einschränkungen – etwa einen empfindlichen Magen oder Allergien – haben, ist Senf gesund“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Gabriele Kaufmann vom Bundeszentrum für Ernährung. „Wer ihn verträgt, darf sich ruhig eine Extraportion einverleiben, gern auch täglich.“
Die Würzpaste wird aus den Samenkörnern der Senfpflanzen hergestellt. Davon gibt es ganz unterschiedliche Arten, die aber eines gemein haben: Alle gehören zur Familie der Kreuzblütler. Verarbeitet werden üblicherweise Samen des Schwarzen, Braunen und Weißen Senfs. Aus der Saat, Wasser, Essig, Salz, weiteren Gewürzen und eventuell Zucker wird eine Masse hergestellt, die je nach Rezept scharf ausfällt wie beim Dijon-Senf oder süß wie beim Weißwurstsenf. „Es ist gut, sich immer die Zutatenliste anzuschauen“, rät Kaufmann. „Je mehr Senfsaat enthalten ist, desto besser.“
Senf als Heilmittel bei Gelenkschmerzen
Senf hat eine lange Tradition. Schon vor Jahrtausenden wurden die Pflanzen in Asien angebaut. In Indien dienten sie nicht nur als Würzmittel: In alten Ayurvedaschriften werden Senfrezepturen für unterschiedliche Zwecke empfohlen. So zum Beispiel als Heilmittel bei Gelenkschmerzen, Husten und Erkältungen. Tatsächlich ist inzwischen wissenschaftlich belegt, dass in der Senfsaat Stoffe mit viel gesundem Potenzial stecken: Senfölglykoside, die für den scharfen Geschmack verantwortlich sind. Substanzen dieser Art, auch Glucosinolate genannt, kommen bei Kreuzblütlern wie Meerrettich, Kresse und Kohl vor und dienen der Pflanze zur Abwehr von Fraßfeinden und Krankheitserregern.
Wird das Gewebe der Pflanze verletzt, etwa, indem ein Tier daran knabbert, werden die scharfen Senföle freigesetzt. „Diese Scharfstoffe sind unter anderem antibakteriell, antiviral und entzündungshemmend“, sagt der Ernährungsmediziner Prof. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin.
Senf wirkt verdauungsanregend
Für Kapuzinerkresse und Meerrettich gibt es Studien, die diese Wirkungen belegen. Ein pflanzliches Mittel mit Senfölen der beiden Pflanzen ist als Medikament bei Erkältungen und Blasenentzündungen zugelassen. Speziell für Senf liegen dagegen nicht viele wissenschaftliche Daten vor, räumt Michalsen ein. „Ich gehe aber davon aus, dass die Ergebnisse übertragbar sind“, sagt er.
In jedem Fall wirkt Senf – wie andere scharfe Gewürze – verdauungsanregend. „Es ist daher absolut sinnvoll, zur Wurst Senf zu essen“, meint Michalsen. Allerdings gibt es Menschen, deren Magen so viel Würze schlecht verträgt. „Daher muss man beobachten, wie man darauf reagiert“, rät der Mediziner.
Scharfe Sorten haben hohen Gehalt des Glykosids Sinigrin
Senföle sollen noch mehr Effekte haben. So gibt es Hinweise, dass sie unter anderem antidiabetisch wirken, krebshemmende Eigenschaften haben sowie vor oxidativem Stress schützen. Allerdings wurden die meisten Studien dazu im Labor durchgeführt. Wie die Substanzen genau im menschlichen Körper wirken und wie viel man zu sich nehmen müsste, um in den Genuss der positiven Effekte zu kommen, ist offen. „Es gibt keine Faustregel nach dem Motto: Zwei Esslöffel täglich“, sagt Kaufmann. „Senf ist nun mal ein Würzmittel, kein Medikament.“
Außerdem unterscheiden sich die Inhaltsstoffe von Sorte zu Sorte deutlich: Zwischen scharfem englischen und mildem bayerischen Senf liegen nicht nur geschmacklich Welten. In scharfen Sorten werden mehr braune und schwarze Samen verarbeitet, die einen hohen Gehalt des Glykosids Sinigrin haben.
Senf kann selten Allergien auslösen
Für milden Senf verwendet man dagegen eher helle Samen, die Sinalbin freisetzen. Dieses Senfölglykosid kann neben nützlichen offenbar auch unangenehme Eigenschaften entfalten: So geht man beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) davon aus, dass daraus bei der Senfherstellung Bisphenol F gebildet werden kann. Diese Substanz ist noch wenig untersucht, aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass sie wie das bekanntere Bisphenol A hormonwirksam und daher bedenklich ist. Um zu beurteilen, ob von Senf diesbezüglich wirklich Risiken ausgingen, lägen aber zu wenig Daten vor, heißt es bei der Behörde.
Ein anderer Inhaltsstoff, der Probleme bereiten kann, ist die Omega-9-Fettsäure Erucasäure. Bei Tieren, die viel davon fraßen, zeigten sich krankhafte Veränderungen am Herzen. Deshalb darf Senf als Würzmittel in der EU nicht mehr als 3,5 Prozent von dieser Fettsäure enthalten. Für das Öl, das aus den Samen gewonnen wird, gilt ein Höchstgehalt von 5 Prozent. Abgesehen davon kann Senf – wie andere Korbblütler – Allergien auslösen und muss daher auf Lebensmittelpackungen gekennzeichnet sein. „Generell sind allergische Reaktionen auf Senf jedoch relativ selten, obwohl Senf als Gewürz häufig Verwendung findet“, heißt es beim BfR.
Fußbad mit Senf nicht zu lange einwirken lassen
Man kann Senf nicht nur essen, sondern ihn auch äußerlich anwenden. „Für ein Fußbad gibt man ein bis zwei Esslöffel Senfmehl ins warme Wasser“, sagt Ernährungsmediziner Michalsen. „Dadurch wird die wärmende Wirkung verstärkt.“ Die Zutat wirkt durchblutungs- und kreislaufanregend und wird in der Naturheilkunde etwa angewandt, um eine heraufziehende Erkältung abzuwehren. Auch bei Kopfschmerzen und rheumatischen Erkrankungen soll das mit Senfmehl versetzte Fußbad lindernd wirken. Daneben gelten Senfmehlwickel als probate Hausmittel bei Husten und anderen Atemwegserkrankungen. „Bei solchen äußeren Anwendungen muss man aber sehr vorsichtig sein und auf Verbrennungszeichen achten. Die Haut wird schnell knallrot“, warnt Michalsen. Die im Senf enthaltenden Scharfstoffe sind stark reizend. Wirkt Senf also zu lange ein, können sich regelrecht Brandblasen auf der Haut bilden.
Die Pflanzen, die gelb blühen und gern mit Raps verwechselt werden, sind übrigens anspruchslos und lassen sich im Garten anbauen. Wer die Samen erntet und daraus eigenen Senf herstellt, kann ganz auf Selbstversorgung umstellen. Und ist damit krisensicher.