Gastbeitrag des Bauernverbands

Kreisbauernverband: „Photovoltaik nicht um jeden Preis“

Solar-Freiflächenanlagen haben derzeit landauf, landab Hochkonjunktur.

Solar-Freiflächenanlagen haben derzeit landauf, landab Hochkonjunktur.

Main-Kinzig-Kreis. Photovoltaik-Anlagen sprießen gerade überall aus dem Boden. Und das im Wortsinn. Denn sie sprießen hauptsächlich dort, wo Weizen, Roggen, Raps oder auch Gerste gedeihen sollen: auf Ackerland – oder, wie Solar-Firmen es deklarieren, auf „ungenutzten Flächen“. Egal, in welche Gemeinde des Main-Kinzig-Kreises man gerade hört: Alle scheinen sich mit der Thematik zu beschäftigen, ob und vor allem wo Photovoltaik-Anlagen errichtet werden können und sollen. Auch der Umstand, wie diese Vorhaben umgesetzt werden, wird heiß diskutiert. Planungsbüros haben Hochkonjunktur. Bei Solar-Firmen steht das Telefon nicht still. Sind es die leeren Gemeindekassen, die rufen und die Energiewende vorantreiben?

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Erschreckend ist die Erkenntnis, dass die Entscheidungen bezüglich der Ortswahl oft landwirtschaftlich genutzte Fläche wie Ackerland als optimalen Standort anpreisen. Das gerne gebrachte Argument: Ackerfläche mittlerer Qualität und/oder benachteiligte Flächen. Die Einstufung von Ackerflächen in mittlere Qualität oder benachteiligte Flächen ist nicht damit gleichzustellen, dass hier nur mittelmäßige oder schlechte Erträge generiert werden.

Natürlich, Photovoltaik-Anlagen und weitere erneuerbare Energien sind wichtige Themen, eine wegweisende Entscheidung und unumgänglich bei einer erfolgreichen Energiewende. Aber auf wessen Kosten passiert das? Die Landwirte und ihre bewirtschafteten Flächen scheinen ein gefundenes Fressen zu sein.

Eingriffe in die Natur sind bei den meisten Baumaßnahmen unvermeidbar. So verpflichtet das Bundesnaturschutzgesetz Bauherren, für betroffene Flächen einen Ausgleich zu schaffen, sogenannte Ausgleichsflächen. Das gilt jedoch nicht für Ackerland. Hier muss trotz des Baus einer Photovoltaik-Freiflächenanlage keine Ausgleichsfläche geschaffen werden, denn die Entstehung von Grünland unter der PV-Anlage ist dann die Ausgleichsfläche für ebendiesen Eingriff – ein nicht unerheblicher Grund, warum für die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen gerne Ackerflächen genutzt werden. Das neu entstandene Grünland ist ökologisch gesehen mehr wert und wird in Folge als Aufwertung deklariert. Es ist dann eben Grünland mit schönen Solarmodulen und wertet das Naherholungsgebiet nicht unbedingt auf.

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Angepriesen wird oft auch, dass baurechtlich die Rückführung zu einer landwirtschaftlichen Fläche vertraglich vereinbart werden kann. Dies mag stimmen, naturschutzrechtlich funktioniert das aber nicht einfach so. Somit kann heute nicht behauptet werden, dass nach 20 bis 30 Jahren die PV-Anlage zurückgebaut wird und einfach wieder Ackerfläche entstehen kann. Diese Entscheidung wird erst in 20 bis 30 Jahren unter naturschutzrechtlichen Aspekten gefällt – die Vereinbarung im Vertrag ist lediglich gut gemeint. Hinzu kommen erhebliche Kosten für eine eventuelle Wiederaufnahme als Ackerfläche.

Bauernverband: Vom Tierfutter zum Frühstücksei

Als weiteres Argument kommt gerne, dass auf der Ackerfläche hauptsächlich Tierfutter entsteht und der Ertrag nicht für die Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzt wird. Dies ist aber nicht immer der Fall, und wenn doch, dann muss hier zu Ende gedacht werden, denn sind wir mal ehrlich: Was passiert denn mit dem Tierfutter? Natürlich, die Tiere fressen es. Aber wie geht dieser Kreislauf denn weiter? Wenn es kein Tierfutter gibt, bedeutet es im Umkehrschluss, dass wir kein Fleisch, keine Wurst, keinen Käse mehr zu essen haben, dass der morgendliche Kaffee ohne Milch getrunken oder das Sonntagsei zum Frühstück künftig ausfallen wird. Ohne Tierfutter fehlen eben auch Lebensmittel.

Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf die Tierhaltung ist die Entstehung von organischem Dünger. Der Landwirt muss somit nicht auf mineralischen Dünger zurückgreifen, um beispielsweise das Getreide zu düngen, aus dem Lebensmittel erzeugt werden. Die Tierhaltung ist also wichtig und nötig, um den Düngekreislauf zu schließen und weiterhin guten Ertrag zu erzielen, damit wir weiter hochwertige und ausreichende Lebensmittel erzeugen und erwerben können.

Natürlich ist das schöne grüne Gras unter der Photovoltaik-Anlage dann auch Tierfutter – für die vielen Schafe, die laut der traumhaften Vorstellung der Solar-Firmen und Planungsbüros unter den Anlagen friedlich grasen und zur ländlichen Idylle beitragen. Welch schöne Vorstellung – zumindest für diejenigen, die das der Bevölkerung schmackhaft machen wollen. Wo sollen diese Schafe auf einmal alle herkommen, und wer kümmert sich um diese Tiere? Vielleicht lassen sich da ein paar Herden aus Irland oder Neuseeland importieren ...

Einige Umspannwerke kommen mit großen PV-Anlagen an ihre Grenzen. Als Beispiel kann man das Umspannwerk an der Eisernen Hand bei Bad Orb nennen. Können dann überhaupt noch Anlagen auf größeren Dachflächen realisiert werden, wenn die Grenze eines Werks schon erreicht wurde? Das sollte im ersten Schritt geprüft werden. Auch hier bekommt man keine genaue Antwort.

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Landwirte im Main-Kinzig-Kreis fordern: Seriöse Suche nach Alternativen

Der Kreisbauernverband Main-Kinzig fordert, dass eine seriöse Alternativsuche nach Flächen stattfinden soll, bevor solch eine Freiflächenanlage auf landwirtschaftlich genutzter Fläche angedacht oder realisiert wird. In den Städten und Gemeinden gibt es nach wie vor genug ungenutzte Dachflächen auf öffentlichen Gebäuden oder Bauvorhaben für gewerblich genutzte Gebäude wie Lagerhallen, deren Dächer ebenfalls nicht als Fläche für Energieerzeugung eingeplant werden. Die Bewilligung solcher Vorhaben sollte die Errichtung solcher Anlagen voraussetzen – vor allem, um dem Argument fehlender statischer Voraussetzungen vorzubeugen.

Wir bitten die Gemeinden, davon abzusehen, Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen zu errichten und weitere Optionen in Betracht zu ziehen. Nicht immer ist der leichteste Weg auch der beste Weg. Aus Sicht der Landwirtschaft ist die Abwägung aller möglichen Alternativen zwingend erforderlich. Fläche ist nicht vermehrbar, und solange es beispielsweise freie Dachflächen oder stillgelegte Deponieanlagen gibt, ist es schwer nachvollziehbar, warum landwirtschaftlich genutzte Flächen der Gewinnung von Solarenergie weichen sollen.

Eine Lösung herbeizuführen, die alle Beteiligte gleichermaßen zufriedenstellt, ist nicht immer einfach. Eine transparente Darstellung unterschiedlicher Alternativen, um objektive Entscheidungen zu treffen und sicherzustellen, dass keine finanziellen Interessen Einzelner eine Rolle spielen, sollte jedoch Voraussetzung sein. Auch die Nahrungsmittelknappheit ist in Zeiten des Ukraine-Krieges immer präsenter geworden und sollte ein genauso wichtiges Thema wie die Energiewende sein. Diese beiden Problematiken, mit denen wir hier zu kämpfen haben, sind gleichbedeutend und sollten sich nicht gegenseitig im Weg stehen.

GNZ

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