Messe Wächtersbach: Perfekte Harmonie von Pferd und Mensch
Liane Reinemer reitet auf dem Shire Horse und Heiko Reinemer erklärt ausführlich, was gerade in der Show-Arena passiert.
© Quelle: Herd
Wächtersbach. Liane Reinemer ist mit einer kleine Herde nach Wächtersbach gekommen. Ihre Shire Horses Tom und Ben sind ältere und erfahrene Reitpferde, von denen die jüngeren Nachwuchspferde viel lernen können. Mit dabei sind der Andalusier Valiente, das Nachwuchs-Shire-Horse „Mr. Bean“ und der zweijährige Mustang „Fuego“ von Tatjana Gransow.
Doch im Mittelpunkt der Show stehen zunächst die beiden Shire Horses Ben und Tom. Dabei beeindrucken die beiden Shire-Horses bereits durch ihre schiere Größe. Ben misst im Stockmaß 1,90 Meter und wiegt stattliche 900 Kilogramm, Tom ist ein wenig kleiner und wiegt „nur“ 800 Kilogramm. „Ein solch mächtiges Pferd ist anders zu reiten als andere Pferde“, sagt Liane Reinemer. Derart große Pferde bewegen sich anders. Wer ihren Rücken erklimmt, wird dieses Gefühl „königlich“ oder majestätisch“ nennen. Für diese Pferde passt sehr gut der Begriff „Gentle Giant“. Es sind sehr einfühlsame Riesen, sensibel, gelehrig, einfühlsam. Ihr Temperament ist allerdings nicht überschäumend, sondern ehr ruhig und gelassen.
Die kleine Herde der Horse School hat Auslauf in der Show-Arena.
© Quelle: Herd
Heike Reinemer erklärt während der Show, dass bei Shire Horses kein normales Pferdezubehör passt. Alles muss XXL sein, angefangen vom Sattel bis zum Zaumzeug. Die Sättel, die Heiko Reinemer vertreibt, lassen sich hingegen auf jedes Pferd anpassen und mit wenigen Handgriff auf ein anderes Pferd einstellen. Das sei besser als ein auf Maß gearbeiteter Sattel, der viel Geld kostet und plötzlich nicht mehr passt, weil sich etwa im Wachstum die Kontur des Rückens verändert.
Akademische Reitkunst beginnt mit dem passenden Jungtier-Training
Besonderes Augenmerk legt Liane Reinemer auf die Jungpferdeausbildung. Deshalb rückt in Wächtersbach ihre gesamte Pferdesippe an, denn für die Jungpferde ist es eine besondere Herausforderung, mit den erfahrenen Pferden auf die Messe zu kommen. Pferde sind Flucht- und Herdentiere. Sie lernen voneinander und wollen behutsam auf ihre Arbeit als Reitpferd vorbereitet werden. Deshalb beginnt Liane Reinemer, die 1984 in der früheren DDR geboren wurde und die es bereits als Kind auf die Koppeln des örtlichen Gestüts gezogen hat, bereits im Fohlenalter mit der Ausbildung der Pferde.
Liane Reinemer hat in ihrer Kindheit mit dem Voltigier-Unterricht im Kindesalter begonnen. Daraus entwickelte sich ein Leben, das sie fast vollkommen den Pferden gewidmet hat. Im Jahr 2014 gründete sie ihre Horse School, und 2016 kaufte sie ihren eigenen Hof in Kaulstoß im Vogelsberg. Wenig später hängte sie ihren Job als Grafikerin an den Nagel und beschäftige sich voll und ganz mit der Ausbildung ihrer Berittpferde und ihrer eigenen Pferde.
Namhafte Lehrmeister kann sie in den Bereichen Dressur, Horsemanship, Centered Riding und akademische Reitkunst aufweisen. Sie legte sie ihre Bodenarbeits- und Longenprüfung im Jahr 2017 und die Wappenträgerprüfung vor dem Meister der Akademischen Reitkunst, Bent Branderup, im Jahr 2020 ab. Der setzte sich über Jahre mit den Lehren der alten Meister auseinander. In das erworbene Wissen lässt er fortlaufend aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Physiologie, Pädagogik, Biomechanik und Veterinärmedizin einfließen. Die Akademische Reitkunst beginnt beim unausgebildeten Jungpferd und führt bis in die hohen Lektionen wie Piaffe, Passage, Levade und Schulsprünge. Ziel ist es, das Pferd in seinen natürlichen Möglichkeiten durch spezifische Gymnastik zu fördern, die bereits vorhandenen Fähigkeiten zu erweitern und durch den Aufbau der für das Reiten benötigten Muskulatur und die Ausformung der Tragkraft ein feines und leistungsfreudiges Reitpferd auszubilden.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/OCX6DSGISBEDVJM76APIE25AZ4.jpg)
Liane Reinemer beim Longieren mit Valiente.
© Quelle: Löchl
Bereits den Fohlen zeigt Liane Reinemer die Welt. Bei Spaziergängen lernen sie Autos, Traktoren, den Pferdeanhänger, Straßenverkehr oder auch andere Ställe kennen. Das macht sie unempfindlich gegen äußere Reize. Das wiederum sind beste Voraussetzungen für ein ruhiges Reitpferd, das versteht, wie schön es ist, wenn Pferd und Reiter das Gleiche wollen. Dabei sollten die jungen Pferde von den älteren und erfahrenen Pferde lernen. So auch auf der Messe. Die Pferde schauen sich viel ab.
Mit etwa dreieinhalb bis vier Jahren beginnt die Ausbildung zum Reitpferd. Der Zahnwechsel schließt bei Pferden mit etwa viereinhalb Jahren ab, ausgewachsen sind die Pferde meist erst mit sieben Jahren. Deshalb wird in den ersten Jahren nicht geritten, sondern es erfolgt Beschäftigung ohne Reiten.
Fuego ist ein dunkelgrauer Mustang mit Aalstrich, ein Mausfalbe. Er ist als Zweijähriger noch mit der Freiarbeit beschäftigt. Valiente ist bereits einen Schritt weiter mit der Bodenarbeit der Akademischen Reitkunst.
Es geht aber nicht nur um die Förderung der physiologischen Möglichkeiten von Pferd und Reiter, sondern das Pferd ist auch Spiegel der geistigen Fähigkeiten seines Reiters, Ausbilders oder auch des Leittiers mit all seinen Schwächen und Stärken. „Zwei Geister müssen wollen, was zwei Körper können“, fasst Bent Branderup seine Vorstellung von Einheit zwischen Pferd und Reiter zusammen. Liane Reinemer lebt dies mit ihren Pferden: Aus dieser Verschmelzung von Psyche und Geist von Pferd und Reiter entstünden Harmonie und Leichtigkeit, um „mit seinem geliebten Pferd Zeit schön zu verbringen“. Und diese dürfen die Messebesucher live in der Show-Arena erleben.
GNZ