Beziehungsstatus: Kompliziert

RTL gegen RTL 2: Sender verheddern sich im Zoff wegen Wendler-Doku

Der Verschwörungsideologe Michael Wendler (rechts) mit seiner Frau Laura.

Der Verschwörungsideologe Michael Wendler (rechts) mit seiner Frau Laura.

Hannover. Es ist ein ziemlich einzigartiger Vorgang, den deutsche Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer in dieser Woche beobachten konnten. Am Abend des 14. März, um 18.58 Uhr, veröffentlicht der Sender RTL, genauer gesagt dessen Streamingdienst RTL+, ein kurzes Statement auf seinem Twitter-Account. Es ist ein Statement, das sich nicht mit den eigenen Produktionen beschäftigt, nicht mit den eigenen Stars. Nein, es ist ein Statement gegen die eigene kleine Schwester: RTL 2.

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Die von RTL 2 geplante Doku über Michael Wendler werde weder vor noch nach der TV-Ausstrahlung beim Streamingdienst RTL+ verfügbar sein, betont RTL, als knappe aber deutliche Antwort auf eine Zuschauerfrage. Die Kommentarfunktion zum Post deaktiviert der Sender vorsichtshalber – zu heiß ist offenbar das Thema. Die Reaktionen in den sozialen Medien schwanken zwischen Lob und Verwunderung: Das RTL-2-Programm ist jetzt offenbar selbst RTL zu peinlich, so eine häufige Deutung. Nur wenig später zieht RTL 2 selbst die Reißleine – und schmeißt die umstrittene Wendler-Soap aus dem Programm, noch bevor sie überhaupt produziert wurde.

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Ein Privatsender, der seinen eigenen Ableger bloß stellt? So sieht es auf den ersten Blick aus. Der Fall scheint ungewöhnlich, wirkt wie ein handfester Zoff hinter den Senderkulissen. Tatsächlich ist die Sache aber ein bisschen komplexer. Denn die auf den ersten Blick verwandten Sender waren sich schon häufiger nicht ganz grün.

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Halbschwester statt Schwester

Anders als der Name vermuten lässt, ist RTL 2 nämlich kein reines Tochterunternehmen der RTL-Group. Die Gruppe aus Köln hält lediglich 35,9 Prozent der Anteile an dem als Reality-TV bekannten Programm. Beide Sender kooperieren zwar in vielen Bereichen miteinander – auf dem Papier sind sie aber eher Konkurrenten als Schwestersender.

Der Grund dafür liegt in der Entstehungsgeschichte des Privatfernsehens. RTL geht, damals noch als RTL Plus, am 2. Januar 1984 auf Sendung. In den frühen Neunzigerjahren folgen dann mit RTL 2 und Anstalten wie Vox oder Kabel eins zahlreiche sogenannte „zweite Reihe“-Sender, die vorwiegend Filmklassiker oder Unterhaltung zeigen. Auch das Programm von RTL 2 soll so aussehen: Geplant ist ein Sendekonzept bestehend aus Spielfilmen und Serien, die RTL noch im Archiv hat – und zusätzlich Informationssendungen für junge Menschen, etwa die „Action News“.

Der Start von RTL 2 allerdings beginnt holprig. Die Hessische Landesanstalt für Privaten Rundfunk hat mit Blick auf die Gesellschafterstruktur Bedenken. Sie befürchtet eine zu große Marktmacht durch die RTL-Eigentümer, seinerzeit bestehend aus der CLT, Bertelsmann, Burda und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Eine Verflechtung mit dem Namensvetter RTL will die Medienanstalt unbedingt verhindern – zugunsten der staatsvertraglich vorgeschriebenen Meinungsvielfalt.

Sendelizenz unter Auflagen

Die Medienanstalt verweigert RTL 2 zunächst die Sendelizenz. Der geplante Start im Jahr 1992 muss, trotz bereits erfolgter Ankündigungen in Programmzeitschriften, mehrfach verschoben werden. Die Entscheidung ist zugleich mit einer Auflage verbunden: Der Anteil der RTL-Eigentümer muss auf unter 25 Prozent gesenkt werden. Der andere Anteilseigner von RTL 2 ist die Tele-München-Gruppe.

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Die Forderungen der Anstalt wachsen mit der Zeit. Auch der Einfluss der Radio-Luxemburg-Holding CLT auf Programmbeirat und Geschäftsführerposition bei RTL solle „unwiderruflich zurückgeführt“ werden. Zudem fordert die Behörde, die Wettbewerbsklausel im Gesellschaftervertrag von RTL „ersatzlos aufzuheben“. Bei den Gründerinnen und Gründern von RTL 2 sorgt all das mit der Zeit für Unmut. Von einem „Willkürakt“ spricht der damalige Geschäftsführer Gerhard Zeiler, von einer „massiven Wettbewerbsverzerrung“ Herbert Kloiber, Geschäftsführer von Tele München.

Als RTL 2 schließlich 1993 endlich auf Sendung geht, ist die Tele-München-Gruppe Mehrheitseigner – und nicht RTL. Heute, 30 Jahre später hält die RTL Group weiterhin nur 35,9 Prozent am Sender RTL 2, die weiteren Gesellschafter sind der Heinrich-Bauer-Verlag mit 31,5 Prozent, Leonie Tele München mit 31,5 Prozent und der Verlag Burda mit 1,1 Prozent. Beim Schwestersender Vox ist das anders: Hier hält die RTL Group heute satte 99,7 Prozent, DCTP nur 0,3 Prozent.

RTL 2 klagt gegen RTL

Soll heißen: Auch wenn RTL auf dem Senderlogo steht, hat RTL 2 mit seiner großen Schwester vergleichsweise wenig zu tun. Während die RTL-Gruppe mit allen anderen Sendern in Köln sitzt, sendet RTL 2 aus der Gemeinde Grünwald südlich von München. Redaktionell arbeiten die Sender nicht zusammen. Im Gegenteil: In den vergangenen Jahren kam es sogar immer wieder zu Reibereien.

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Ein besonders skurriler Fall beschäftigt sogar Gerichte – und das seit bereits 15 Jahren. 2008 reichte RTL 2 nämlich Klage ein – und das ausgerechnet gegen seine großen Schwester RTL. Hintergrund war ein Streit um das Gebaren der großen Sendekonzerne bei der Vermarktung von TV-Werbespots. Die Wettbewerbshüter hatten Ermittlungen eingeleitet, weil sie die Konzerne verdächtigten, durch kartellrechtswidrige Vereinbarungen bei der Werbevermarktung die kleinen Sender zu benachteiligen.

Um das Verfahren des Kartellamts zu beenden, zahlten RTL und Pro Sieben Sat.1 schließlich ein Bußgeld von 96 beziehungsweise 120 Millionen Euro. RTL 2 sah sich damals um 60 Millionen Euro geschädigt und reichte sowohl gegen Pro Sieben Sat.1. als auch gegen die RTL Group Klage ein.

Beendet ist der Fall bis heute nicht. 2018 sah ein Gutachten „keine statistisch fundierten Indizien für eine positive Schadenswahrscheinlichkeit“, RTL 2 sollte demnach leer ausgehen. RTL 2 stellte daraufhin Befangenheitsantrag gegen den Gutachter, der vier Jahre später jedoch verstarb und nie angehört wurde. Seither liegt der Fall weiterhin beim Landgericht Düsseldorf und ist noch immer nicht ganz abgeschlossen.

Kampf um Realitystar

Auch inhaltlich hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder mal Hick-Hack zwischen RTL und RTL 2 gegeben. Die „Bild“-Zeitung berichte im Frühjahr 2021 von einem internen Zoff, weil der eine Sender dem anderen einen Realityteilnehmer weggeschnappt haben soll.

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Konkret ging es um Frédéric Prinz von Anhalt. Dieser sollte wohl nach Wunsch von RTL ins Dschungelcamp einziehen – dem Flaggschiff deutscher Realityshows. Für diese sucht RTL gerne Kandidaten, die zuvor noch nicht in anderen Sendungen verheizt wurden – insbesondere wenn sie prominente Namen haben wie Anhalt.

Das Problem: Der heute 79-Jährige entschied sich auch, an der RTL-2-Show „Kampf der Realitystars“ in Thailand teilzunehmen. Die Verantwortlichen bei RTL soll das „stinksauer“ gemacht haben, zitiert „Bild“ einen Insider. Am Ende ging Anhalt nie in den Dschungel. Ob das mit dem internen Zank der Sender zu tun hatte, ist nicht bekannt.

Vergütung für Streaminginhalte

Für Zuschauerinnen und Zuschauer sehen RTL und RTL 2 heute, nicht allein wegen des Namens, aus wie ein Unternehmen. Beide Stationen gaben sich in den vergangenen Jahren einen rundum neuen Anstrich: RTL 2 führte im Herbst 2019 ein neues Logo und eine neue Schreibweise ein – offiziell heißt der Sender seither „RTLZWEI“. Die große Schwester RTL folgte einige Monate später mit einem umfassenden Relaunch inklusive neuem Logo.

Auch beim Streaming kooperieren die Sender: Waren die Inhalte von RTL bis 2021 noch auf dem Portal „RTL 2 Now“ zu finden, wurde das Angebot schließlich in die Plattform RTL+ (früher: TV Now) integriert. Betrieben wird diese von der RTL-Tochter RTL Interactive.

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Die Kooperation erfolgt auf Vergütungsbasis wie RTL-2-Chef Andreas Bartl dem Medienmagazin „DWDL“ kürzlich erklärte. „Wir haben ein performance-basiertes Abrechnungsmodell mit RTL Deutschland vereinbart. Da ein nicht ganz unerheblicher Anteil der Nutzung von RTL+ auf Formate von RTLzwei entfällt, ist dieser Umsatzanteil sehr attraktiv“, so Bartl. Die Abrufe bei RTL+ seien ein wesentlicher Beitrag zum Geschäftsergebnis des Senders.

Das erklärt auch, warum die RTL-Gruppe eine Sendung wie die umstritten Wendler-Doku einfach ablehnen kann: Die Entscheidungshoheit über seine Mediathek liegt ganz bei der Sendergruppe in Köln.

Das Wendler-Trauma sitzt noch tief

Dass der Fall Wendler für reichlich Unmut in den Reihen der Sender sorgt, ist verständlich. RTL musste bereits während der Corona-Pandemie seine Erfahrungen mit dem früheren Schlagerstar machen. Noch während der Ausstrahlung der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ outete sich Wendler mit einem bizarren Video als Corona-Leugner, schmiss bei „DSDS“ hin und verfolgte dann seine Nischenkarriere als Verschwörungsstar bei Telegram.

Zum Eklat kam es schließlich im Januar 2021 als die neue Staffel „DSDS“ im Fernsehen ausgestrahlt werden sollte. Wendler lieferte seinen Followern einen unsäglichen KZ-Vergleich, weswegen sich RTL schließlich entschloss, den Schlagersänger gänzlich aus der Sendung zu pixeln.

Für seine Entgleisungen entschuldigt hatte sich Wendler seither nie – im Gegenteil: Noch im Februar dieses Jahres verbreitete er auf Telegram die „Reichsbürger“-Erzählung, Deutschland sei eine GmbH und teilte Beiträge bekannter Verschwörungsideologen und des umstrittenen Kopp-Verlags. Kurz vor Produktion der geplanten Doku erklärte der Sänger: „Ich möchte klarstellen, dass ich kein Rassist oder Antisemit bin und auch nie war ... Auch wenn ich für viele Menschen unverständlich harte Äußerungen getätigt habe.“ Am Donnerstagabend veröffentlichte er eine Stellungnahme zur abgesagten Doku.

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„Vertrauensvolle Zusammenarbeit“

Zum aktuellen Fall – auch zum möglichen Knatsch hinter den Kulissen – halten sich sowohl RTL als auch RTL 2 bedeckt. RTL erklärt auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), dass die redaktionelle Verantwortung für RTL-2-Produktionen allein beim Sender RTL 2 liege. Im aktuellen Fall allerdings habe man „sofort entschieden, dass wir diese weder vor noch nach der TV-Ausstrahlung bei RTL+ zur Verfügung stellen werden, weil sich an unserer Haltung zu ihm nichts geändert hat.“

Man habe sich dann im Nachgang mit den Kolleginnen und Kollegen von RTL 2 zum Thema ausgetauscht. Man freue sich zudem, „die langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit fortzusetzen – denn viele RTLzwei-Formate sind bei unseren RTL+ User:innen sehr beliebt.“

Die Pressestelle von RTL 2 erklärt auf RND-Anfrage: „RTLZWEI und RTL Deutschland arbeiten seit vielen Jahren sehr vertrauensvoll zusammen und werden dies auch in der Zukunft tun. Unsere Zusammenarbeit ist geprägt von Respekt und Wertschätzung. Die Programme von RTLZWEI werden seit vielen Jahren sehr erfolgreich auf dem Streamingdienst RTL+ verbreitet. Auch hier ist die Zusammenarbeit hervorragend.“

Zu internen Vorgängen, wie auch im aktuellen Fall, werde man sich nicht öffentlich äußern.

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