Kinokrawalle während „Creed III“: „Wir wurden bundesweit überrannt“
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Polizisten vor einem Kino in Hamburg: Eine Vorstellung von „Creed III“ musste dort nach Unruhen abgebrochen werden.
© Quelle: Jonas Walzberg/dpa
Hannover. Zum Abspann fliegen die Fäuste auch in echt. Über die Leinwand laufen schon die Namen aller, die im Film mitgewirkt haben, da läuft zwischen den Stuhlreihen schon eine handfeste ganz reale Prügelei. Zwei junge Männer gehen aufeinander los, schlagen aufeinander ein, andere strömen dazu, ringen miteinander: So ist es auf einem der meistgesehenen Videos vom Wochenende zu sehen. Andere zeigen herumfliegendes Popcorn, Getränkebecher, Müll in den Reihen, immer wieder Rangeleien – willkommen bei „Creed III“, für Kinos und Besucher offenbar eine Art Hochrisikofilm.
In zahlreichen Kinos in ganz Deutschland jedenfalls kam es in den vergangenen Tagen zu verstörenden Szenen. In Hamburg führte eine Prügelei unter Besuchern zu einem Abbruch der Vorstellung. In Essen randalierten Zuschauer, bis die Polizei die Letzten aus dem Saal bugsieren musste. Auch in Bremen schlugen junge Besucher aufeinander ein, auch hier war am Freitag und Sonnabend früh Schluss mit der Vorstellung. In Pforzheim fanden Security-Mitarbeiter nach Angaben des Betreibers in den Taschen von Gästen neben Schlagringen auch eine Waffe. „Wir sehen da eine Gewaltbereitschaft und Zerstörungswut, die gesamtgesellschaftlich sehr gefährlich ist“, sagt Kim Ludolf Koch, Geschäftsführer der Cineplex-Gruppe, eines Zusammenschlusses von 26 Kinofamilienunternehmen in ganz Deutschland.
„Creed III“ läuft in 61 von bundesweit 90 Cineplex-Kinos. Laut Koch kam es dabei am Wochenende „in fast jeder größeren Stadt“ in Deutschland zu Unruhen in den Kinos. „Ein Tsunami von völlig entmenschlichtem, völlig außer Kontrolle geratenem ‚Kinder‘publikum hat uns am Wochenende überrollt“, schreiben auch die Betreiber des Tichelpark-Kinos in Kleve auf Facebook. Ähnliche Szenen gab es in Frankreich, auch dort dokumentieren zahlreiche Videos in den Netzwerken Vandalismus und Schlägereien.
Unruhen auch bei „Smile“
Experten und Betreiber rätseln nun über den Grund für das eigenartige Phänomen. „Creed III - Rocky‘s Legacy“ ist ein weiterer Ableger der „Rocky“-Reihe mit Sylvester Stallone. Ein Box-Film, freigegeben ab zwölf Jahren. Das Thema scheint jedoch eher zweitrangig zu sein. Laut Kinobetreiber Koch hat es vor einigen Wochen bereits ähnliche Szenen gegeben: bei „Smile“, einem Horrorfilm. Vor dem Start von „Creed III“, habe es Hinweise der Verleihfirma gegeben, dass erneut Krawalle drohten, bestätigt er.
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Ausmaß und Aggression jetzt hätten die Unruhe da jedoch weit übertroffen: „Wir wurden bundesweit regelrecht überrannt“, sagt Koch. Die Cinemaxx-Gruppe bestätigt einen „Zwischenfall“ in einem Kino in Essen, zu dem man sich wegen „laufender Ermittlungen“ nicht näher äußern wolle. Bei der Astor-Gruppe läuft „Creed III“ in vier Häusern; nur in einem Kino sei es dabei zu „Unregelmäßigkeiten“ gekommen, erklärt ein Sprecher. Einige Besucher hätten Popcorn geworfen, Cola verspritzt und seien über Sitzreihen gestiegen. Offenbar waren die Astor-Kinos etwas weniger betroffen.
Aber wer macht sowas? Und warum?
„Leute, die wir normalerweise nicht hier haben“
Laut Cineplex-Geschäftsführer Koch war es vor allem untypisches Publikum, das sich in den Sälen zur Randale traf: „Das waren vornehmlich jüngere Menschen, die wir normalerweise nicht hier haben.“ In sozialen Netzwerken hätten sich diese gezielt „für den 3., 4. und 5. März“ verabredet – unter dem Motto: „Creed IV, das drehen wir jetzt mal im Foyer.“ Daraufhin hätten die Kinos auch bereits verstärkt Security-Mitarbeiter geordert. Diese seien dann aber zum Teil ebenfalls attackiert worden - und offenbar nicht in ausreichend großer Zahl vor Ort gewesen.“
Sind also die sozialen Netzwerke der Ursprung dieser Attacken? Allen voran ein weiteres Mal das anscheinend generalverdächtige TikTok? „Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei der Aktion um einen aktuellen negativen TikTok-Trend handelt“, hatte die Polizei Essen am Wochenende geschrieben. Der Berliner Social-Media-Experte Robin Blase von der Agentur „Richtig cool“ ist da jedoch skeptisch.
Zwar sei ein Zusammenhang mit TikTok durchaus möglich - von einer typischen „Challenge“, einer Herausforderung, an der möglichst viele teilnehmen sollen, würde er jedoch nicht sprechen: Es kursierten eher „Videos von unbeteiligten Kinobesuchern, nicht von den eigentlichen Unruhestiftern“. Auch die Kommentare unter den Videos seien überwiegend deutlich negativ: „Ich würde das also nicht am bösen TikTok festmachen, das durch irgendwelche Challenges Leute zu so einem Verhalten motiviert“, betont Blase.
Mehr Security - und strengere Altersgrenzen
Für die Kinobetreiber ändert das jedoch wenig. Sie müssen sich möglicherweise für eine neue Herausforderung wappnen: der des überraschenden Vandalismus in den Sälen. Cineplex-Geschäftsführer Koch will deshalb die Netzwerke vor ausgewählten Filmstarts genauer im Blick behalten lassen. Wahrscheinlich müssten bei entsprechenden Warnzeichen dann mehr Security-Leute engagiert werden – in der Hoffnung, Randalierer von vornherein abzuschrecken.
Auch in den Astor-Kinos zieht man offenbar vorsorglich Konsequenzen: Dort soll der Film nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland ab Donnerstag erst ab 18 Jahren freigegeben sein, jüngere Besucher dürften dann nicht hinein. Sollte es dennoch zu Unruhen kommen, „wird die laufende Vorstellung abgebrochen und der Film mit sofortiger Wirkung in unserem Haus sofort abgesetzt“, heißt es in einer Mitteilung an die Mitarbeiter. Dies geschehe zu ihrem Schutz – als auch „zum Schutz unserer Gäste“.