„Rassistisch, sexistisch, homophob“: vernichtendes Urteil über Londoner Polizei
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Londoner Polizisten stehen auf einer Straße. (Symbolbild)
© Quelle: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa
London. Entführt, vergewaltigt, getötet. Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, dass der Mord an der damals 33-jährigen Sarah Everard durch den Polizisten Wayne Couzens eine Schockwelle in Großbritannien auslöste. Das Vertrauen der Menschen in die Metropolitan Police (kurz Met) wurde schwer erschüttert. Experten machten immer wieder auf die verheerenden Zustände aufmerksam und die Met versprach danach immer wieder Besserung.
Doch in den Griff hat die Londoner Polizei ihre über 30.000 Mitglieder nach wie vor nicht bekommen. Im Gegenteil. Ein unabhängiger Untersuchungsbericht hat schonungslos eine verrohte Kultur in der Londoner Polizei aufgedeckt. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan bezeichnete den Dienstag als „einen der finstersten Tage“ für die Met.
Vernichtendes Zeugnis auf 363 Seiten
Tatsächlich offenbart der 363-seitige Bericht schockierende Zustände. Während London selbst eine diverse Stadt sei, beschreibt Louise Casey, die Leiterin der Untersuchung, die Met als einen von weißen Männern dominierten „Boy-Club“, in welchem „Raubtiere zu viele Möglichkeiten hätten“. Junge Polizisten würden bepinkelt oder müssten bis zum Erbrechen Kuchen essen – als eine Form der Initiation. Schwarze und religiöse Minderheiten würden ausgegrenzt, beleidigt und gemobbt. Die Met sei „rassistisch, sexistisch, homophob“ und „zutiefst verkommen“.
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Louise Casey, die Leiterin der Untersuchung.
© Quelle: Getty images
Laut dem Report habe eine Beamtin versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie musste weiterhin mit einem Kollegen zusammenarbeiten, der sie brutal verprügelt und anschließend vergewaltigt habe. Die Atmosphäre innerhalb der Polizei wirke sich auch auf den Umgang mit bestimmten Verbrechen aus. Ein Polizist sagte, die Aufklärungsrate von Vergewaltigungen sei so niedrig, dass die Straftat in London im Grunde legalisiert worden sei. Tausende Beweismittel von Opfern von Missbrauch mussten vernichtet werden, weil die Kühlschränke defekt waren oder sie der Hitzewelle im vergangenen Sommer nicht standhielten.
Casey, die die Ermittlungen zur Met leitete, die nach dem Mord an Sarah Everard ins Leben gerufen wurden, schließt nicht aus, dass dort weitere Straftäter wie Couzens oder David Carrick dienen. Letzterer bekannte sich Anfang des Jahres zu insgesamt zu 49 Verbrechen, darunter 24 Vergewaltigungen, über einen Zeitraum von insgesamt 18 Jahren. Der Polizist ist damit einer der schlimmsten Serienvergewaltiger in der Geschichte des Landes.
Forderung nach unabhängiger Aufsicht
Um die verheerende Situation bei der Londoner Polizei in den Griff zu bekommen, empfiehlt Casey drastische Maßnahmen. Die Met brauche eine unabhängige Aufsicht, um die dringend nötigen Reformen endlich durchzusetzen, betonte sie. Überdies könnten bestimmte Einheiten herausgelöst werden, damit sich die Londoner Polizei besser auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könne. Die Führung der Met gehe jedoch nach wie vor zu zögerlich vor: „Es ist, als würde man den Mount Everest in Flip-Flops besteigen“, sagte Casey am Dienstag gegenüber Journalisten.
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Londons Polizeichef Mark Rowley.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Der Chef der Londoner Polizei, Mark Rowley, betonte, dass die Ergebnisse ein „Gefühl von Scham und Wut“ auslösten und räumte ein, dass Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Rassismus in der Met weitverbreitet seien und man ungeeignete Beamte zur Verantwortung ziehen wolle. Dass es sich dabei um ein „institutionelles“ Problem handle, wies er jedoch zurück. Stattdessen entschuldigte er sich bei den Londonern, wieder einmal.
Rowley übernahm das Amt im Sommer vergangenen Jahres von der früheren Londoner Polizeichefin Cressida Dick. Sie wurde im Februar 2022 von Bürgermeister Khan gefeuert, weil sie Sexismus und Rassismus keinen Einhalt geboten hatte. Der neue Met-Chef hatte sich seit seinem Amtsantritt 100 Tage Zeit gegeben, um die Lage zu verbessern, stieß dabei jedoch an seine Grenzen. So berichtete er, dass er Polizisten, die auffällig wurden, aufgrund rechtlicher Hürden weiter beschäftigen müsse.
Eine erneute Entschuldigung reicht vielen Opfern jedoch nicht aus. Helen, die von David Carrick vergewaltigt wurde, sagte gegenüber Journalisten, dass dieser zunächst „charmant und sehr freundlich“ gewesen sei, sich dann jedoch als „Monster“ entpuppt habe. Später fand sie heraus, dass etliche Beschwerden gegen ihn vorlagen. Sie fordert deshalb: „Jeder männliche Polizist in der Met sollte erneut überprüft werden müssen.“