„Seherin“ lockt Hunderte Gläubige an

Magie oder Masche? Eine Blut weinende Madonnenstatue lässt Italien staunen

Magie oder Masche? Maria Giuseppa Scarpulla lockt mit ihrer weinenden Madonnenstatue die Italiener an.

Magie oder Masche? Maria Giuseppa Scarpulla lockt mit ihrer weinenden Madonnenstatue die Italiener an.

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Rom. Das Blutwunder geschieht jeweils am dritten Tag jedes Monats, um 15 Uhr, auf einem Feld auf einer Anhöhe in der Nähe des malerischen Orts Trevignano am Bracciano-See, eine Autostunde von Rom entfernt. Es lockt jeweils Hunderte von Gläubigen – oder vielleicht müsste man sagen: von Gutgläubigen – aus ganz Italien an. Sie wollen Augenzeugen werden, wie die fast mannsgroße Madonnenstatue, die sich in einem hellblauen Schaukasten aus Glas befindet, zu weinen beginnt und wie die Tränen aus Blut über ihre Wangen kullern.

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Das Spektakel fand auch an diesem Mittwoch, dem 3. Mai, wieder statt. Die Menschen auf der Wiese richteten ihren Blick ehrfürchtig auf die Madonna und dann zum Himmel; sie beteten inbrünstig und riefen: „Herr, lass mich erneut geboren werden!“ Die Madonnenstatue befindet sich im Besitz von Gisella Cardia, die mit richtigem Namen Maria Giuseppa Scarpulla heisst. Die 53-jährige Sizilianerin hatte die Statue im Jahr 2016 in dem bekannten, aber nicht offiziellen Marien-Wallfahrtsort Medjugorje in Bosnien erstanden, und nach ihrer Rückkehr nach Italien hatte sie festgestellt, wie sie sagt, dass die Madonna Blutstränen weine.

Madonna habe Pandemie vorhergesagt

Gisella Cardia berichtet weiter, dass die Jungfrau Maria über die Statue mit ihr spreche und Botschaften an die Erdenbürger schicke. Zum Beispiel, dass der Krieg über die Welt hereinbrechen werde und das Ende nah sei. Die Madonna habe ihr auch die Pandemie vorausgesagt und ihr verraten, dass die Impfungen nichts nützen würden. Manchmal unterhält sie sich laut eigenen Angaben auch mit dem Erzengel Gabriel.

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Cardia ist das, was man in Italien eine „santona“ oder eine „veggente“ nennt. Also eine Art Medium, eine Seherin und Mystikerin. Cardia war freilich nicht immer eine Heilige gewesen: Bis vor einigen Jahren führte sie in der Nähe von Messina in ihrer Heimat Sizilien einen Keramikbetrieb, mit dem sie Schiffbruch erlitt. Die Pleite trug ihr eine Vorstrafe wegen betrügerischen Konkurses ein.

Gnocchi auf magische Weise beim Kochen vervielfacht

Erst danach zog sie nach Trevignano. Landesweite Schlagzeilen machte die Seherin unlängst auch noch mit einem weiteren Wunder: Sie habe in der Pfarrei von Trevignano für 15 Seminaristen Gnocchi mit Kaninchenragout gekocht, obwohl sie von beiden Zutaten nur ganz kleine Reste zur Verfügung gehabt habe. „Aber beim Schöpfen ist der Topf einfach nicht leer geworden. Es war unglaublich“, erzählte Cardia.

Damit hatte sie das Stichwort für den Staatsanwalt geliefert, der die ganze Geschichte mit der Blut weinenden Madonna und der wundersamen Vermehrung der Gnocchi – die gleiche Story erzählte Cardia übrigens auch mit Pizza – für einen Betrug hält. Es wurden Ermittlungen aufgenommen, nicht zuletzt auch deswegen, weil ehemalige Jünger von Cardia berichteten, sie hätten der Frau ihre ganzen Ersparnisse anvertraut, ohne dafür eine Gegenleistung erhalten zu haben. Ein Privatdetektiv will zudem herausgefunden haben, dass die Tränen der Madonna „kompatibel mit Schweineblut“ seien.

Auch Vatikan ist informiert

Auch der zuständige Bischof geht der Sache inzwischen nach und hat auch bereits den Vatikan verständigt. Angesichts des drohenden Unheils war Cardia kurz vor Ostern erst einmal abgetaucht: Das Wunder vom 3. April fiel aus, und die „santona“ blieb wochenlang wie vom Erdboden verschwunden. Nun ist sie plötzlich wieder aufgetaucht – und ging mit den Zweiflern hart ins Gericht: „Sie haben mich beschuldigt, blasphemisch und ketzerisch zu sein. Einige sagten sogar, ich sei eine Hure. Aber wir sind stärker als sie, denn wir haben Gott auf unserer Seite“, erklärte sie unter dem Applaus ihrer Anhängerinnen und Anhänger auf dem Hügel über dem Bracciano-See.

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Der Staatsanwalt lässt sich davon nicht beeindrucken und erwägt gegen Cardia laut Medienberichten nun eine Anklage wegen „Ausnutzung der Volksgläubigkeit“. Dass ein solcher Tatbestand in Italien existiert, hat seine Berechtigung: Die Konsumentenschutzorganisation Codacons schätzt, dass im katholischen Belpaese rund 5000 Seher, Zauberer, Wunderheiler, Kartenleger und Wahrsager ihrem Gewerbe nachgehen; 13 Millionen Italienerinnen und Italiener sollen regelmäßig deren Dienste in Anspruch nehmen.

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