1001 Wege aus der Klimakrise
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Fahrradfahrer gehen auf einem Holzsteg durch das Naturschutzgebiet Kaltenbronn in Baden-Württemberg.
© Quelle: Uli Deck/dpa
Liebe Leserinnen und Leser,
den richtigen Weg zu finden, das ist in Zeiten von Navigations-Apps und Heerscharen von Satelliten, die unseren Planeten immer genauer kartografieren, in der Regel kein Hexenwerk mehr. Einen Weg aus der Klimakrise zu finden ist dagegen deutlich komplexer. Denn dass der Kampf gegen die Erderhitzung eine der zentralen Herausforderungen unserer Tage ist, wird heutzutage zwar kaum noch in Zweifel gezogen.
Umso leidenschaftlicher wird aber darüber gestritten, wie genau das funktionieren soll. Eine aktuelle Streitfrage im ohnehin kaum noch entwirrbaren Wust an möglichen Wegen ist dabei die Frage des richtigen Verkehrsmittels. Und auch diese Wahl ist um einiges komplexer als die Frage allein, ob man nun das Fahrrad, die Bahn oder doch das Auto nimmt.
Ein Ansatz klingt aufs erste Hören fast utopisch: schädliche Klimagase, die bereits in die Umwelt gelangt sind, einfach wieder einzufangen und sicher wegzusperren. Technisch ist das in begrenztem Maß schon heute möglich – nur schließt die aktuelle Gesetzeslage das sogenannte CCS (Carbon Capture and Storage) in Deutschland derzeit faktisch aus. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) hat im Dezember angekündigt, das zu ändern, und dieses Vorhaben dieser Tage bekräftigt. Doch noch lässt Habecks neues CCS-Gesetz auf sich warten.
Warum eigentlich? Der Blick in den Bundestag lässt es ahnen: Dort haben nicht nur die Grünen, sondern auch die SPD Gründe gefunden, die CO₂‑Speicherung kritisch zu sehen. So fordert die SPD in einem Positionspapier, strikt nach dem Grundsatz „CO₂‑Vermeidung vor CO₂‑Abscheidung“ zu verfahren. Denn Klimagase aus der Atmosphäre zu ziehen könne Unternehmen den Anreiz nehmen, ihre Emissionen zu senken und auf fossile Energieträger zu verzichten, argumentieren die Sozialdemokraten. Andere Kritikerinnen und Kritiker sorgen sich um die Auswirkungen auf Böden und Umwelt.
Habeck steht gerade unter politischem Dauerbeschuss – derzeit quält ihn die „Trauzeugen“-Affäre seines Staatssekretärs, zuvor musste er sein Gesetz zum Einbauverbot neuer Öl- und Gasheizungen verteidigen. Dabei griff er bisweilen zu Worten, die daran erinnerten, wie US‑Präsident John F. Kennedy 1962 die immens teuren Anstrengungen seines Landes rechtfertigte, Menschen auf den Mond zu bringen: „We choose to go to the Moon in this decade and do the other things, not because they are easy – but because they are hard.“ (Auf deutsch: „Wir haben uns entschieden, in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen und die anderen Dinge zu tun, nicht weil sie leicht sind - sondern weil sie schwer sind.“) Von einem Mondflug entfernt man sich als Minister allerdings in der Regel schnell, wenn man in den Mühen der Ebene feststeckt. Insofern könnte es noch etwas dauern, bis Habeck nach seinem Kampf um seinen wichtigsten Mann im Ministerium und um sein Gebäudeenergiegesetz wieder Zeit und Kraft findet, mit dem Thema CCS den nächsten Klimastreit loszutreten. Wir sind gespannt.
Ihr Jakob Milzner
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Einprägsames Beispiel, wie der Wald der Zukunft bitte nicht aussehen sollte: Abgestorbene Fichtenwaldbestände prägen das Bild im Brockengebiet.
© Quelle: Matthias Bein/dpa
Falls Sie zufällig einen Wald besitzen, könnten Sie sich zum Beispiel Gedanken machen, welche Baumarten in Zukunft die besten Aussichten haben, mit dem veränderten Klima klarzukommen. Meine Kollegin Ina Funk-Flügel hat sich dazu eine Initiative im Harz angesehen, die nach Lösungen für den Waldumbau sucht. Denn im Harz, so viel sei verraten, lassen sich die Folgen des Klimawandels schon heute besichtigen. Und die Aussicht ist erschreckend. Skelette abgestorbener Fichten prägen dort ganze Landstriche.
Denn die Fichte reagiert besonders sensibel auf den Klimawandel. Laut dem Waldzustandsbericht von 2021 weist sie unter allen Baumarten in Deutschland die höchste Sterberate auf. Noch gehört die Fichte mit einem Anteil von 25 Prozent zu den häufigsten Baumarten Deutschlands, doch wenn die Entwicklung der vergangenen Jahre anhält, dürfte sich das bald ändern: Allein zwischen 2018 und 2020 sind im Harz 28 Prozent der Fichten infolge von Extremwetterereignissen abgestorben, hat das Thünen-Institut des Bundes-Landwirtschaftsministeriums ausgerechnet. Der Schaden wird auf 12,7 Milliarden Euro geschätzt.
Das macht Hoffnung
Geht es um die Wärmeversorgung der Zukunft, klingt ein Ansatz besonders vielversprechend: die Hitze im Inneren der Erde zu nutzen, um Häuser, Unternehmen und ganze Städte mit sauberer Wärme zu versorgen. Technisch ist das möglich und wird bereits praktiziert, etwa in Kenia, wo Olaf Scholz jüngst das größte Geothermie-Kraftwerk auf dem afrikanischen Kontinent besichtigt hat. Der Teufel steckt aber auch hier im Detail.
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Bundeskanzler Olaf Scholz während seines Besuchs der größten Geothermie-Anlage Afrikas in Kenia
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Zwar gibt es auch in Deutschland bereits Geothermieanlagen, die Wärmeenergie aus dem Inneren der Erde fördern. Doch im Vergleich zum kenianischen Boden ist die Tiefe in Deutschland vergleichsweise kühl. Hinzu kommt, dass der auf den ersten Blick vorbildliche Energiemix von Kenia, das rund 90 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen schöpft, bei näherem Hinsehen nicht immer unproblematisch ist. Etwa wurden für das größte Geothermiewerk des Landes ortsansässige Massai aus ihren Gebieten vertrieben.
Ein Beispiel, das zeigt, wie sehr sich beim Kampf gegen die Klimakrise ökologische und soziale Herausforderungen durchdringen.
Was diese Woche wichtig war
Der Ausblick
Eine wesentliche Folge des Klimawandels könnte – und wird wohl – eine Zunahme der weltweiten Migration sein. Nun hat der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) Empfehlungen gegeben, wie sich Deutschland auf diese Herausforderung vorbereiten sollte. Deren Kern ist ein Dreigestirn aus „Klimapass“, „Klimacard“ und „Klimaarbeitsvisum“.
Dabei handelt es sich im Prinzip um Angebote, die drei unterschiedliche Profile von Klimaflüchtenden adressieren. Der Klimapass soll nach Ansicht des SVR etwa jenen Menschen vorbehalten sein, deren Heimat durch den Klimawandel existenziell bedroht ist, wie es bei den Bewohnerinnen und Bewohnern von Inselstaaten der Fall ist, die im Zuge des steigenden Meeresspiegels langsam in den Fluten versinken.
Welche weiteren Vorschläge die Mitglieder des SVR ersonnen haben, lesen Sie hier.
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