30 Jahre gesamtdeutsche Grüne: Eine Partei stemmt sich gegen die Krise
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Vizekanzler Robert Habeck und Marianne Birthler, die vor 30 Jahren Bundessprecherin der gesamtdeutschen Grünen wurde.
© Quelle: Getty Images
Leipzig. Robert Habeck, in Umfragen gebeutelt und in Zeitungskommentaren zuletzt als Karl-Theodor zu „Guttenberg der Grünen“ tituliert, sah am Samstagabend nicht aus wie von Depressionen gebeutelt. Bei der Feier zum 30. Jahrestag der Vereinigung von West-Grünen und Ost-Grünen in der Leipziger Gaststätte Täubchenthal war der Vizekanzler zum Schluss vielmehr umringt von selfiesüchtigen Jung-Grünen. Er schien es zu genießen. So hatte das Jubiläum denn auch zwei Seiten.
Im Zentrum stand die Fusion der Grünen mit Bündnis 90 am 14. Mai 1993, der kontroverse Verhandlungen vorausgingen. Marianne Birthler, die in jenem Jahr zur Bundessprecherin aufstieg, sagte: „Wir kamen aus verschiedenen Kulturen.“ Doch mittlerweile „ergänzen wir uns auch ganz gut; die Partei hat davon inhaltlich profitiert.“
Frieden und Menschenrechte
Der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Lukas Beckmann, der in Niedersachsen geboren wurde, blickte auf die Anfänge der Partei im Westen zurück und ihr Engagement für Bürgerrechtler in der DDR und anderen Teilen Osteuropas. Er und seinesgleichen seien in den 1980er-Jahren für Abrüstung in Ost und West eingetreten, sagte Beckmann. „Wir haben uns als Menschen verbunden gefühlt.“ Alice Schwarzer und andere hingegen, die für Frieden mit Russland einträten, pflegten heute erneut eine „intellektuelle Verachtung gegenüber den Opfern“. Die Verbindung von Frieden und Menschenrechten sei jedenfalls „existenziell wichtig“ und unverändert grundlegend für die Haltung der Grünen.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt erinnerte daran, dass sie als 13-jähriger Ost-Teenager begonnen habe, für eine Reise nach New York zu sparen, die sie eines fernen Tages unternehmen wollte. Aus ihrer DDR-Erfahrung leitete sie eine Lehre ab: „Es wird immer das Wichtigste sein, Freiheit zu leben und dafür zu kämpfen.“
Dem Parteivorsitzenden Omid Nouripour fiel schließlich die Aufgabe zu, einen kleinen Nachruf auf Werner Schulz zu formulieren, der ab 1990 die Gruppe der ostdeutschen Grünen-Abgeordneten im Bundestag angeführt hatte und am 9. November vorigen Jahres völlig überraschend starb. Es sollte ein wertschätzender Abend werden.
Auf der anderen Seite schimmerte jene Krise durch, die die Grünen in diesem Frühjahr erfasst hat, gekennzeichnet durch den Streit um das Gebäudeenergiegesetz, das den allmählichen Austausch von Öl- und Gasheizungen gegen Heizungen mit erneuerbaren Energien vorsieht, die „Trauzeugen-Affäre“ um Habecks Staatssekretär Patrick Graichen sowie fallende Zustimmung der Bevölkerung.
Co-Parteichefin Ricarda Lang unterstrich, man dürfe „nicht hart werden, nicht beleidigt werden“, denn: „Wir wurden nicht in die Politik gewählt, um gelobt zu werden.“ Allerdings gelte ebenso: Wenn die Grünen so etwas wie das Gebäudeenergiegesetz nicht machen würden, obwohl sie es für notwendig hielten, „dann wären wir eine Wahlkampfklitsche, aber keine verantwortungsvolle Partei“.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die aus Dessau in Sachsen-Anhalt stammt, erklärte: „Das Wichtigste ist das Bündnis mit den Bürgerinnen und Bürgern.“ Es helfe nichts zu fragen: „Warum verstehen die anderen denn nicht, dass wir recht haben, wenn wir so dolle recht haben?“
Eine besorgte Warnung
Sachsens Justizministerin Katja Meier schaute bereits voraus in das Jahr 2025 und warnte: „Die Bundestagswahl wird im Osten nicht gewonnen. Aber sie kann im Osten verloren werden.“
Robert Habeck sagte derweil sehr allgemein und ohne seine Kämpfe um konkrete Gesetzesvorhaben zu erwähnen: „Es soll Parteien geben, die wollen nichts tun.“ Er fügte hinzu: „Wir nicht.“