Muriel Asseburg im Interview

Nahostexpertin zu Assads Rückkehr in die Arabische Liga: „Der letzte Sargnagel für den Arabischen Frühling“

Syriens Präsident Baschar al-Assad bei der Konferenz der Arabischen Liga.

Syriens Präsident Baschar al-Assad bei der Konferenz der Arabischen Liga.

Artikel anhören • 7 Minuten

Berlin. Frau Asseburg, Syrien wird trotz andauerndem Bürgerkrieg und staatlicher Unterdrückung der Zivilbevölkerung wieder in die Arabische Liga aufgenommen. Was bedeutet das?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Dass die arabischen Staaten sich offenkundig damit abgefunden haben, dass ihr ursprünglicher Ansatz der Isolierung und zum Teil auch der Unterstützung des Kampfes gegen das Assad-Regime schiefgelaufen ist. Assad ist nach wie vor da. Nun also die Kehrtwende: Man will versuchen, Syrien nicht ohne, sondern mit Assad zu stabilisieren. Man kann sagen: Das ist der letzte Sargnagel für den Arabischen Frühling. Die Hoffnung auf politische Öffnung, mehr politische Teilhabe ist dahin. Autoritäre Konsolidierung hat sich durchgesetzt.

Ist die Syrien-Politik insgesamt gescheitert? Muss auch der Westen umdenken und die Isolierung Syriens beenden?

Ja, es handelt sich um ein generelles Scheitern der Syrienpolitik. Aber der Westen sollte dennoch nun nicht den gleichen Politikansatz wählen wie die arabischen Staaten. Denn mit Assad wird es keine nachhaltige Stabilisierung geben. Aber Europa und die USA müssen darüber nachdenken, wie sie in der jetzigen Situation überhaupt noch Einfluss nehmen können.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
ARCHIV - 18.04.2023, Syrien, Damaskus: Baschar al-Assad (r), Präsident von Syrien, und Faisal bin Farhan, Außenminister von Saudi-Arabien unterhalten sich während ihres Treffens. Bei dem Treffen soll es um eine politische Lösung des Konflikts in Syrien gehen, wie das saudische Außenministerium mitteilte. (Illustration zu "Saudi-Arabien: Vertretung in Syrien nimmt Arbeit wieder auf") Foto: Abdulrahman Al-Abdulsalam/Saudi Press Agency/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Syriens Wiederaufnahme in die Arabische Liga: Assad wird sich nicht ändern

Beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga am Freitag wird erstmals seit 2011 wohl auch Syrien wieder dabei sein. Die Wiederaufnahme des Landes ist ein Debakel, kommentiert Daniela Vates.

Wie denn?

Die Normalisierung der Beziehungen zu einem Regime, das für Kriegsverbrechen und gravierende Menschenrechtsverletzungen steht, ist nicht der richtige Weg. Gleichzeitig sind die Chancen, über Sanktionen, humanitäre Hilfe und die Konditionierung von Wiederaufbauhilfe einen Systemwandel oder substanzielle Reformen zu erreichen, heute noch geringer als sie ohnehin schon waren. Leider wurde ja versäumt, mit den arabischen Staaten detaillierter über Bedingungen einer Normalisierung zu sprechen, als sich vor ein paar Jahren deren veränderte Haltung zu Syrien abzuzeichnen begann.

Wichtig ist nun, in den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten nicht nur humanitäre Hilfe zu leisten, sondern im Sinne von early recovery in den Wiederaufbau von Schulen, Krankenhäusern, etc. zu investieren und daran zu arbeiten, dass zwischen diesen Gebieten bessere Verbindungen entstehen. Dabei geht es auch darum, den Zusammenhalt zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen zu stärken und ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Das ist auch deswegen so wichtig, weil hier viele Binnenflüchtlinge Zuflucht gefunden haben und weil die Menschen im Nordwesten des Landes so stark unter den Folgen des Erdbebens im Februar leiden.

Die Syrien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Muriel Asseburg.

Die Syrien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Muriel Asseburg.

Mit der Wiederaufnahme in die Arabische Liga sind angeblich Bedingungen verbunden, wie etwa die Rücknahme von Flüchtlingen, die Unterbindung von Drogenschmuggel, eine politische Befriedung des Landes. Wie ernst kann man solche Auflagen nehmen?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Es gibt auf arabischer Seite ein ernsthaftes Interesse an der Erfüllung solcher Auflagen. Aber es liegt keine konkrete Roadmap vor, die zeigen würde, wie diese Bedingungen jetzt umgesetzt werden sollen. Da gibt es viele offene Fragen: Wie kann effektiv gegen Drogenproduktion und -schmuggel vorgegangen werden, wenn das Regime selbst darin verwickelt ist und einen großen Teil seiner Einnahmen daraus bezieht? Wie kann es eine sichere Rückkehr von Flüchtlingen geben, wenn Assad selbst sagt, dass die syrische Gesellschaft jetzt gesünder ist als vorher? Er hat sehr deutlich gemacht, dass er die Rückkehr von Flüchtlingen nicht möchte, und es hat sich immer wieder gezeigt, dass Rückkehrer in Syrien nicht sicher sind. Wie kann es einen Dialog mit der Opposition geben und Reformen, wenn das Regime eben diesen Dialog und diese Reformen bisher abgelehnt hat? Wie all das funktionieren soll, ist völlig unklar und nicht ausbuchstabiert.

Eigentlich müssten Bedingungen ja erfüllt werden, bevor eine Aufnahme in die Arabische Liga erfolgt. Ist Assad in irgendeiner Weise in Vorleistung gegangen?

Ich kann bislang nicht sehen, dass er wirklich in Vorleistung gegangen wäre. Allerdings hat Assad vor wenigen Tagen die Öffnung zweier Grenzübergänge zur Türkei verlängert, über die humanitäre Hilfe in die Erdbebenregion im Nordwesten des Landes kommt. Das ist sicher ein Zeichen von gutem Willen. Und er hat wohl auch verfügt, dass die iranische Präsenz im Land etwas weniger sichtbar sein soll, etwa dadurch, dass es keine iranischen Flaggen mehr auf den iranischen Basen im Land gibt.

Gibt es in Syrien die Hoffnung, dass es nun ruhiger werden könnte im Land?

Es gibt sicherlich Hoffnung in den von Assad kontrollierten Gebieten, dass der Normalisierung durch die arabischen Staaten nun auch große Investitionen und Wiederaufbauhilfe folgen. In den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten gibt es hingegen große Proteste gegen die Normalisierung. Und bei den Flüchtlingen hat noch keine Bewegung zurück eingesetzt. Im Gegenteil: Es wird genau registriert, dass Flüchtlinge, die zurückgekehrt sind, oft verhaftet oder anderweitig drangsaliert werden, dass sie nicht in ihre Häuser zurückkehren können. Damit Flüchtlinge zurückkehren, bräuchte es konkrete Belege dafür, dass sich der Ansatz des Regimes tatsächlich verändert hat und Garantien, dass Rückkehrer sicher sind. Wie das allerdings in einem Land funktionieren soll, indem es keine Rechtsstaatlichkeit gibt, ist offen. Assad hat wohl auch den Vorschlag abgelehnt, dass hier arabische Truppen Sicherheit gewährleisten könnten.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Krisen-Radar

RND-Auslandsreporter Can Merey und sein Team analysieren die Entwicklung globaler Krisen im neuen wöchentlichen Newsletter zur Sicherheitslage – immer mittwochs.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Wenn die Arabische Liga sich Syrien zuwendet – stabilisiert das die Region?

Die Stabilität in der Region wird heute durch den Konflikt in Syrien vor allem in Form von den Drogenschmuggel, Radikalisierung und eine große Zahl von Milizen bedroht. Die Nachbarstaaten erleben zudem die Flüchtlinge als Belastung. Wenn an all diesen Fragen konstruktiv gearbeitet würde, dann würde das zur Stabilisierung beitragen. Wenn es letztlich nur bei einer Annäherung an das Damaskus bleibt, wie es sich seit 2011 entwickelt hat, also eine Führung, die auf Repression, Patronage, Kriegswirtschaft und organisierte Kriminalität setzt, dann wird damit eine sehr problematische Lage übertüncht. Gelöst ist damit dann nichts.

Warum gab es keine Möglichkeit, Assad und sein Regime zu stürzen?

Assad hat sich dafür entschieden, seine Position mit Gewalt und ethno-konfessioneller Mobilisierung auch gegen einen Teil seiner eigenen Bevölkerung zu verteidigen. Entscheidend war, dass ihm sehr schnell Iran, die Hisbollah und Russland zu Hilfe gekommen sind – und zwar mit deutlich mehr Mitteleinsatz und militärischem Engagement, als die arabischen Staaten und der Westen bereit waren, an Unterstützung für oppositionelle Kräfte zu leisten. Die Unterstützer Assads haben ihre Hilfe auch deutlich stärker fokussiert und gebündelt. Und Amerikaner und Europäer waren sich unschlüssig, ob sie die Rebellen dazu befähigen wollen, Assad zu stürzen oder ob sie Assad zu Verhandlungen zwingen wollten.

Die Lehre wäre also: Künftig schneller und einiger handeln?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Geeintes Handeln ist wichtig. Noch wichtiger ist, sich im Klaren über die eigenen Interessen, Ziele und Mittel und die der Gegner in einem Konflikt zu sein. In Syrien hätte das geheißen: keine Signale auszusenden, die einen bewaffneten Aufstand ermutigen, wenn man nicht auch bereit ist, diesen militärisch zu unterstützen.


Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken