Digitale Fragestunde

Wie wollen Sie die Geflüchteten zurückholen? Diese Fragen stellten deutsche Studierende Selenskyj

Voller Hörsaal beim Onlinegespräch zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Studierenden aus Frankfurt (Oder) und Berlin.

Voller Hörsaal beim Onlinegespräch zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Studierenden aus Frankfurt (Oder) und Berlin.

Berlin/Frankfurt (Oder). 14.59 Uhr, plötzlich ist es für einen voll besetzten Hörsaal ungewöhnlich still im Fritz-Reuter-Saal der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Die Anwesenden blicken auf die Leinwand vorne auf der Bühne. Noch zeigt die Zoom-Übertragung nur das Audi-Max der Europa-Universität Frankfurt (Oder). Dann ploppt ein neues Fenster auf. Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, ist dem Anruf beigetreten.

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Knapp 200 Studierende der Berliner Universitäten und 500 der Universität Frankfurt (Oder) treffen an diesem Dienstag bei einem digitalen Austausch auf Präsident Selenskyj. Die Liveübertragung auf Youtube verzeichnet am Abend knapp 4000 Aufrufe. Wer in Berlin in den Saal will, muss vorab angemeldet sein, Jacken und große Taschen abgeben. Die Plätze sind begrenzt, die Einladung wurde nur intern verschickt.

Knapp eine Stunde lang nimmt Selenskyj sich Zeit, Fragen zu beantworten. Immer abwechselnd sollen Studierende in Frankfurt und Berlin sich melden. Viele sind gekommen, um zuzuhören und um Solidarität zu zeigen, wie sie später sagen werden. Einige haben ein Notizbuch dabei, sich ihre Frage ganz genau notiert.

Alma hat eine persönliche Frage vorbereitet

Auch Alma Suljić hat die Frage aufgeschrieben, die sie Präsident Selenskyj stellen will. Auf Englisch. „How are you doing?“, will sie von ihm wissen. „How are you dealing with all the stress?“ Fragen nach der Ukraine, dem Krieg und der Zukunft müsse er schließlich ständig beantworten.

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Krieg und Flucht seien für sie nicht nur Nachrichtenbilder aus dem Fernsehen. Ihre Eltern mussten ihre Heimat in Bosnien während des Jugoslawienkriegs verlassen, Alma kam in Deutschland zur Welt, als Kleinkind ging es dann zurück. Jetzt studiert sie seit vier Jahren Bildungs- und Sozialwissenschaften.

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Die Veranstaltung findet auf Deutsch statt. Alles, was Selenskyj sagt, wird sogleich von einer Frauenstimme simultan übersetzt. Nur ab und an hört man seine Stimme kurz durch. „Vor wenigen Stunden wurden die Räumungsarbeiten in Dnipro abgeschlossen“, beginnt er seine Ansprache an die Studierenden. Er berichtet aus dem Krieg, spricht von den Angriffen. Dann sagt er: „Sie sind jung, Sie werden die Welt neu gestalten. Haben Sie keine Angst, Dinge zu verändern.“

Erst heben sich nur einige wenige Hände, dann werden es ein paar mehr, knapp ein dutzend in Berlin. Die Fragen lauten: Wie schützt die Ukraine Frauen und Mitglieder der LGBTIQ-Community im Krieg vor sexualisierter Gewalt? Wie können wir als Hochschule helfen? Wie sieht es mit dem EU-Beitritt aus? Und warum wurden in der Ukraine Parteien verboten?

Digitale Fragestunde zum Ukraine-Krieg: Selenskyj antwortet ausführlich

Selenskyj antwortet ausschweifend. Das ukrainische Parlament habe im vergangenen Jahr die Istanbul-Konvention ratifiziert, Gräueltaten wie Vergewaltigungen müssten vors Kriegstribunal und bestraft werden. Das Wichtigste sei, den Geflüchteten weiterhin dabei zu helfen, sich zu Hause zu fühlen in Deutschland und ihnen zu ermöglichen, weiter zu lernen und weiter zu studieren. Die letzten Voraussetzungen für den EU-Beitritt wolle man in den kommenden Wochen erfüllen. Verboten würden in der Ukraine nur Parteien, die sich im Krieg auf russische Seite stellten.

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Um 15.30 Uhr muss die Schalte unterbrochen werden. Selenskyj muss ans Telefon gehen, mit den Streitkräften an der Front sprechen. Der neue ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sitzt in der ersten Reihe in Berlin, eigentlich als Gast. Er steht auf, springt spontan ein. „Sie wissen nicht, wer ich bin“, sagt er den Studierenden, er beantworte aber trotzdem gerne alle Fragen. Man möge ihm nur Bescheid geben, wenn der Präsident hinter ihm auftauche.

Siebzehn Minuten später ist Selenskyj zurück – rechtzeitig, um noch zwei Fragen von ukrainischen Studierenden aus Frankfurt zu beantworten. Wie er die Geflüchteten zurückholen wolle? „Die Menschen kommen zurück, wenn es sicher ist.“ Dafür müsse man vor allem den Luftraum sichern. Einen Jurastudenten, der nach den ukrainischen Diplomaten fragt, lädt er gleich ein, sich doch zu bewerben. Um 16.04 Uhr muss Selenskyj auflegen.

Die Reaktionen der Studierenden reichen im Anschluss von „Ja, krass“ bis zu „So viel Patriotismus, das wäre in Deutschland eher merkwürdig“. Schnell strömen sie aus dem Hörsaal, einige laut diskutierend.

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Alma konnte ihre Frage nicht stellen, es war zu wenig Zeit und die Antworten zu lang. Ein bisschen enttäuscht ist sie darüber schon. Wieder musste Selenskyj nur Fragen über den Krieg beantworten. „Aber wer weiß“, sagt sie, „Vielleicht gibt es ja irgendwann mal wieder Gelegenheit.“

Die Live-Übertragung ist weiterhin auf Youtube abrufbar.

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