Der hohe Preis der Lügen: Fox zahlt fast 800 Millionen Dollar Schadensersatz
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/YCZMW5VGERE7LEO3NRH7BHW7VI.jpeg)
18. April 2023, USA, Wilmington: Vertreter von Dominion Voting Systems treffen im Justizzentrum ein, wo die Verleumdungsklage von Dominion Voting Systems gegen Fox News verhandelt wird. Dominion fordert in dem Rechtsstreit rund 1,6 Milliarden US-Dollar (1,5 Milliarden Euro) Schadensersatz, weil Fox News Berichte über angebliche Manipulation der Wahlcomputer verbreitete.
© Quelle: Matt Rourke/AP/dpa
Washington. Das Ergebnis der amerikanischen Präsidentschaftswahl stand fest. Doch Donald Trump wollte es nicht akzeptieren. Die Wahlcomputer hätten dem Sieger Joe Biden fälschlich Stimmen zugeschustert, ließ er seine Berater fantasieren. Beim rechten Sender Fox News war man schwer genervt. „Die Software-Scheiße ist absurd“, schrieb Starmoderator Tucker Carlson im November 2020 in einer privaten SMS an eine Kollegin. Sein Kollege Sean Hannity wählte drastischere Worte: „Fucking lunatics“ (Verfickte Wahnsinnige) nannte er intern die Verschwörungspropagandisten. „Das ist wirklich verrücktes Zeug“, merkte auch Firmenpatriarch Rupert Murdoch an.
Dennoch befeuerte der amerikanische Kabelkanal in den kommenden Monaten aggressiv die hanebüchene Wahlbetrugslüge: Seine Studiogäste ließ er bereitwillig immer absurdere Konspirationsmärchen verbreiten – bis hin zu der Behauptung, die Wahlmaschinen des Herstellers Dominion seien von politischen Akteuren im Ausland manipuliert worden. „Fox kannte die Wahrheit. Doch es nutzte seine Macht und seinen Einfluss, um die falsche Geschichte zu verbreiten“, prangerte das diffamierte Unternehmen in einer Verleumdungsklage die Desinformation der Fernsehzuschauer an.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/AAIQ4WTDHZACJCP3B4LQDL4Y5A.jpeg)
Diese Skizze aus dem Gerichtssaal zeigt den Anwalt von Dominion Voting Systems, Justin Nelson (3. v. r), der sich mit dem Anwalt von Fox News, Daniel Webb (2. v. r.) berät, während die Anwälte im Delaware Superior Court warten.
© Quelle: Elizabeth Williams/FR142054 AP/A
Die Summe ist rekordverdächtig
Dafür muss der Medienkonzern nun einen gewaltigen Preis zahlen. Unmittelbar vor dem Beginn eines mit Spannung erwarteten Prozesses gestand Fox dem Wahlmaschinenhersteller am Dienstag einen Schadensersatz von 787,5 Millionen Dollar zu. Das ist nach amerikanischen Medienberichten eine der höchsten Summen, die in den USA je wegen einer Verleumdungsklage fällig wurden. „Lügen haben Konsequenzen“, triumphierte Dominion-Anwalt Justin Nelson vor dem Gericht in Wilmington.
Trotzdem sind nicht alle Amerikaner zufrieden. Kritiker des rechten Propagandasenders, der allabendlich von mehr Menschen als seine linksliberalen Konkurrenten CNN und MSNBC eingeschaltet wird, hatten nämlich auf einen mehrwöchigen Prozess gehofft, bei dem mutmaßlich viele Starmoderatoren hätten aussagen und ihre Bigotterie verteidigen müssen. Tatsächlich hatte der Richter in Wilmington schon die Geschworenen vereidigt, und die Eingangsstatements sollten gerade beginnen, als die Nachricht von dem Vergleich hereinplatzte und das Verfahren abrupt beendete.
Fox möchte öffentliches Spektakel unbedingt vermeiden
Rechtsexperten weisen jedoch darauf hin, dass eine bewusste Verleumdung des Wahlmaschinenherstellers nicht ganz einfach nachzuweisen gewesen wäre und die meisten derartigen Klagen in den USA mit einer außergerichtlichen Einigung enden. So kann Fox zwar den weiteren Imageschaden durch ein öffentliches Spektakel eindämmen. Doch Dominion hatte in seiner Klageschrift bereits zahlreiche entlarvende Äußerungen von Fox-Managern, Moderatorinnen und Moderatoren zusammengetragen, die das Bild eines Propagandasenders zeichnen, der aus Panik vor möglichen Quoteneinbußen und einer Abwanderung seiner radikalen Zuschauer zu den ultrarechten Newcomerkonkurrenten OAN und Newsmax bewusst die Wahrheit verbog.
„Ich habe das keine Sekunde geglaubt“, hatte Moderator Sean Hannity in einer eidesstattlichen Erklärung für den erwarteten Prozess eingeräumt. Einige der hauseigenen Kommentatoren hätten die Lüge von der Wahlfälschung unterstützt, gab sich in seiner schriftlichen Einlassung für das Gericht auch Konzernboss Rupert Murdoch demonstrativ zerknirscht: „Im Rückblick wünschte ich, dass ich dem stärker widersprochen hätte.“
Öffentlich freilich zeigt der Sender weit weniger Reue. Im laufenden Programm wurde der Vergleich am Dienstag erst mit einiger Verzögerung gemeldet. Die dann verlesene Presserklärung des Medienunternehmens räumt widerwillig ein, „dass das Gericht einige Behauptungen über Dominion als falsch eingestuft hat“. Dann behauptet der Sender ernsthaft, die Einigung unterstreiche „die Verpflichtung von Fox auf die höchsten journalistischen Standards“. Einen Widerruf oder eine Entschuldigung im Programm musste der Sender nicht ausstrahlen.
Der Schadensersatz dürfte das Murdoch-Unternehmen finanziell trotzdem treffen. Immerhin frisst er rund ein Fünftel sämtlicher liquider Mittel auf, über die Fox am Ende des vergangenen Quartals verfügte. Und es dürfte nicht die letzte Zahlung sein. Ein weiterer Hersteller elektronischer Wahlsysteme namens Smartmatic hat ebenfalls eine Verleumdungsklage gegen Fox und seine Moderatoren eingereicht und fordert einen Schadensersatz von 2,7 Milliarden Dollar.
Der Dominion-Fall habe nur einen Teil des Schadens durch die Fox-Desinformationskampagne offengelegt, gab sich ein Smartmatic-Sprecher kämpferisch: „Wir werden den Rest aufdecken.“