Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Krieg der Gendersterne?

Über das sogenannte Gendersternchen wird seit Langem heiß diskutiert.

Über das sogenannte Gendersternchen wird seit Langem heiß diskutiert.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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ich war Volontärin beim „Delmenhorster Kreisblatt“, als der neue Chefredakteur Claus Wettermann die Anrede an die Leserschaft revolutionierte. Er schrieb: „Liebe Leserinnen und Leser“, was die alten Haudegen in dem Blatt die buschigen Augenbrauen hochziehen ließ. Bisher reichten die lieben Leser doch als Anrede aus, die Frauen seien immer mitgemeint, erklärten sie. Wettermann entgegnete trocken: Kann man machen – kann Mann aber auch bleiben lassen. Ich fand‘s super. Das war 1990.

In meiner Zeit bei der Deutschen Presse-Agentur stieß ich zunächst auch auf die „lieben Kollegen“ in internen Nachrichten. Ich machte daraus „die lieben Kolleg(inn)en“. Für mich war das praktisch, weil es schön kurz war und trotzdem alles sagte. Dachte ich jedenfalls. Bis mir eine Volontärin schrieb, dass sie nicht in Klammern gesetzt werden möchte. Sie fühle sich dadurch nicht auf Augenhöhe mit Männern angeredet. So hatte ich das nie gesehen und fühlte mich missverstanden. Verletzen wollte ich natürlich niemanden.

Aber es war für mich auch kein Problem, künftig die Kolleginnen und Kollegen anzuschreiben. Nun erlebe ich in Jugendverbänden, in Parteien und auch im Büro, dass von Kolleg*innen nicht nur geschrieben, sondern auch gesprochen wird. Und es beschleicht mich ein ungutes Gefühl des Altwerdens, wenn sich das in meinen Ohren wie Schluckauf anhört. Mir kommt das einfach nicht über die Lippen. Ich bleibe also bei den Kolleginnen und Kollegen, Bürgerinnen und Bürgern, Politikerinnen und Politikern etc. Auch wenn‘s länger dauert.

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Neben dem Gendersternchen gibt es auch den Genderdoppelpunkt.

Neben dem Gendersternchen gibt es auch den Genderdoppelpunkt.

Ich will auch vermeiden, dass mich ein Kollege anschreibt, er möge nicht in einem Sternchen aufgehen oder besser untergehen, sondern auf Augenhöhe angeredet werden. Und nur, weil Frauen Jahrzehnte nicht explizit angesprochen wurden, muss man es jetzt ja nicht umgekehrt machen. Aber das löst das Problem beim Schreiben nicht.

Manche Texte verlieren ihren Lesefluss (jedenfalls meinen), wenn in jedem Fall und in jedem Satz deutlich gemacht werden muss, dass es sich um Männer und Frauen handelt. Wenn es nicht reicht, von der einen und dem anderen oder dem Wissenschaftler und der Expertin zu schreiben, oder anfangs einmal deutlich zu machen, dass man selbstverständlich beide Geschlechter meint und dann zum – inzwischen gefürchteten – geschlechtsneutralen generischen Maskulinum übergeht.

Probleme im Journalismusalltag

Nehmen wir das Leid mit der Überschrift. Unmut von Lehrern und Lehrerinnen passt aus Platzgründen nicht rein und man möchte nicht die Lehrerinnen herausgreifen, weil das vielleicht ein frauenspezifisches Problem suggerierte. Der Unmut der Lehrenden ist für mein Sprachgefühl wiederum so ungewohnt, dass ich Ewigkeiten an der Headline bastele, um am Ende beim Unmut von Lehrkräften zu landen, damit aber auch nicht glücklich bin. Das geht dann im ganzen Text so weiter.

Mit dem Ergebnis, dass ich nicht nur länger brauche, sondern wir auch beispielsweise für diesen Newsletter von Leserinnen und Lesern unter Ihnen immer wieder empörte Briefe bekommen, wie wir doch die Sprache durchs Gendern verhunzten. Dabei setzen wir das Sternchen zwischen Journalist*innen oder Polizist*innen im Alltag gar nicht ein. Aber Achtung, das trägt uns wiederum mitunter Stirnrunzeln vor allem bei Jüngeren ein. Von wegen alte Haudegen (Haudeginnen?).

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„Krieg der Sterne“, sagte jemand in einer Diskussion über den Stand des Gendern. Hat mir gut gefallen. Aber ist das nicht ganz schön martialisch und damit eher männlich? Anderseits sind die Unversöhnlichen doch in dieser Debatte eher die Feministinnen (und Feministen natürlich auch).

Angela Merkel war die erste deutsche Bundeskanzlerin. Und sie war die erste ostdeutsche Person an der Spitze des deutschen Kanzleramts. Im Einzelfall wird gendergerechte Sprache ganz schön kompliziert.

Angela Merkel war die erste deutsche Bundeskanzlerin. Und sie war die erste ostdeutsche Person an der Spitze des deutschen Kanzleramts. Im Einzelfall wird gendergerechte Sprache ganz schön kompliziert.

Bundeskanzler Olaf Scholz nennt sich beispielsweise Feminist, Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm für sich nie in Anspruch, eine Feministin zu sein, weil sie sich im Kampf um Frauenrechte nicht selbst erhöhen und zum Beispiel auf eine Stufe mit Alice Schwarzer stellen wollte. Merkel ist übrigens noch lange in Pressekonferenzen von Journalisten (nein, nicht von Journalistinnen) als „Frau Bundeskanzler“ angesprochen worden.

Und wie macht man das eigentlich, wenn man schreiben will, dass Merkel etwas entschieden hat, was vor ihr niemand in diesem Amt gemacht hat. Weil es vor ihr nur Bundeskanzler gab, wäre es Quatsch zu schreiben, dass Merkel etwas als erste Bundeskanzlerin getan hat. Das war per se so, denn sie ist die bisher einzige Frau in diesem Amt. Und wie ist das bei Scholz? Muss man dann schreiben, dass er anders als seine Vorgänger und seine Vorgängerin so oder so gehandelt hat? Als erster Mensch an der Spitze des Kanzleramts hört sich zu monströs an. So wie der erste Mensch im All. Aber immerhin, es wäre richtig. Mensch ist gut. Mensch geht immer. Gendern light. Oder lieber nicht?

 

Machtpoker

Ich erwarte, dass nun im parlamentarischen Verfahren notwendige Änderungen vorgenommen werden.

Christian Lindner,

Bundesfinanzminister, auf Twitter

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Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bauministerin Klara Geywitz hatten das Gebäudeenergiegesetz noch gar nicht richtig vorgestellt, da rauschte schon die „Protokollnotiz“ der FDP herein. Im Bundestag müssten Finanzierbarkeit und Umsetzbarkeit des Gesetzes unter die Lupe genommen werden, um Belastungen für die Menschen gering zu halten, heißt es darin. Lindner twitterte es vorsichtshalber noch. Von außen kann man immer wieder amüsiert zuschauen, wie die FDP in der Ampel das Geschäft der Opposition betreibt. Lustig ist das aber gar nicht. Heißt es doch nichts anderes, als dass der elende Streit um den Heizungstausch noch munter weitergehen dürfte. Und damit vor allem der Machtkampf zwischen Lindner und Habeck.

Der wiedergewählte FDP-Chef Christian Lindner.

Der wiedergewählte FDP-Chef Christian Lindner.

 

Wie unsere Leserinnen und Leser auf die Lage schauen

An dieser Stelle geben wir Ihnen das Wort:

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Robert Kikowatz zum Newsletter „AKW adé“:

„An vielen Stellen wird unwidersprochen behauptet, dass der deutsche Weg des Ausstiegs aus der Kernenergie ein Sonderweg sei. Laut Wikipedia betreiben in Europa derzeit Irland, Litauen, Italien, Österreich, Polen, Dänemark, Norwegen, Portugal keine Kernkraftwerke. Staaten wie Kroatien, Serbien oder Griechenland werden nicht erwähnt. Ich sehe somit keinen Sonderweg. Von hohem Interesse wäre, wenn gezeigt würde, wie groß der Geldfluss und Subventionen in die Kernenergie seit 2011 war und wohin diese Gelder denn jetzt gehen, so sie wirklich frei sind. Rückbau? Endlagerung? Und wie hoch im Vergleich die Subventionen in die Stromerzeugung aus regenerativen Energien sind. Dann könnte man der konservativen Ecke auch zeigen, wer mit dem Geld des Steuerzahlers wirklich vernünftig umgeht.“

David Cohnen ebenfalls zu dem Newsletter:

„Der Ausstieg aus der Kernkraft kann immer noch verhindert werden. 60 Prozent der Bundesbürger sind gegen den Ausstieg aus der Kernkraft. CDU, AfD und auch die FDP sind dagegen. Wie lange kann ein Volk es aushalten, dass die Politik nur an sich denkt, aber nicht zum Wohle des deutschen Volkes handelt? Liebe Parteipolitiker, die Sie für die momentane Erhaltung der Kernkraft sind, springen Sie über Ihren eigenen Schatten und handeln im Sinne des Amtseides, den sie geschworen haben. Für das deutsche Volk.“

Russlands Präsident Wladimir Putin.

Russlands Präsident Wladimir Putin.

Carmen Ritter aus Langlingen zum Kommentar gegen die Abstumpfung in Putins Krieg gegen die Ukraine:

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„Der Leitartikel spricht mir aus der Seele. Ich stelle immer mehr fest, dass es Ignoranz und Egoismus in meinem Umfeld gibt, die ich nur schwer tolerieren kann. Der Tenor ist fast immer, dass es uns dadurch schlechter geht, dass wir die wirtschaftlichen Folgen tragen, dass das nicht unser Krieg sei. Doch es ist unser Krieg. Wegducken geht nicht. Die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen, ist in meinen Augen unverantwortlich. Diktatoren wollen nicht reden und verhandeln, sie kennen nur ihre eigenen Regeln und müssen mit diesen geschlagen werden. Ein Zitat von Willy Brandt möchte ich gern noch zum Besten geben: Wer Unrecht duldet, stärkt es.“

Lars Baule Sohldfeld aus Hildesheim zum Kommentar über den Verdienstorden für Angela Merkel:

„Mit Ihrer Frage Wer, wenn nicht sie“ stehen Sie ziemlich allein da neben dem Bundespräsidenten, der sich mit der Ordensverleihung auch ein wenig selbst bedient hat. Im ersten Teil Ihres Leitartikels stellen Sie die schwerwiegenden politischen Fehlentscheidungen von Frau Merkel dar. Anschließend wollen Sie diese aber relativieren. Die Gefährlichkeit Putins und sein Bestreben, Russland wieder zu dem zu machen, was es in der früheren Sowjetunion war, hat er schrittweise unter Beweis gestellt.

Wie viel politisches Unvermögen muss man denn haben, sich dennoch in dessen Abhängigkeit zu begeben? Auch Ihre weiteren Ausführungen, Merkel habe Deutschland als Führungsmacht ausgebaut, kann ich nicht nachvollziehen. Sie hatte das Glück, dass die Wirtschaft in Deutschland florierte, was aber nicht ihr Verdienst war. Lange Kanzlerschaft und besondere menschliche Qualitäten wiegen politische Fehler mit gravierenden Folgen nicht auf, zumal Merkel am Ende ihrer Amtszeit ihre Partei in Schutt und Asche gelegt hat. Deshalb meine Antwort auf Ihre Frage „Wer, wenn nicht sie“: manch anderer, sie aber nicht! Mir ist klar, dass Sie meinen konträr zu Ihrem Leitartikel stehenden Leserbrief nicht veröffentlichen werden.“

Alois Schwind aus Wachtberg bei Bonn zum selben Thema:

„Wenn Frau Dr. Merkel nun die höchste Auszeichnung in der Bundesrepublik erhält, fehlen unter den ausgewählten Gästen jegliche Repräsentanten der CDU. Welch ein Zeichen einer groben Undankbarkeit und einer Missachtung, hat sie doch nur durch die Unterstützung der Union und ihrer Mitglieder das erreichen können, wofür sie jetzt geehrt wurde.“

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Silke Bente ebenfalls dazu:

„Toller Kommentar. Danke für diese Veröffentlichung.“

Willi Eckermann an den Hauptstadt-Radar:

„Liebe Freunde, Ihr berichtet sehr umfangreich! Ein ganz großes Lob! Macht so weiter!“

 

Das ist auch noch lesenswert

Sie können sich meinen Kollegen Jan Sternberg so vorstellen: Er geht durch das Büro, grüßt jeden mit einem Satz, der wahr oder völlig falsch sein kann, und testet, ob man noch auf Zack ist. In der Regel hat er schon alles gelesen und auch solche Sachen gesehen, die auf Polnisch oder Ungarisch in irgendwelchen sozialen Medien gepostet wurden. Kurzum: Es hätte niemand Besseren als ihn geben können, um im Nu 400 Seiten Benjamin von Stuckrad-Barre zu lesen und auch noch zu rezensieren. Es geht um Eskapaden von drei Männern, hinter denen man ausgerechnet Stuckrad-Barre selbst, Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner und Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt vermuten könnte. Vermintes Gelände. Jan hat es zum „herbeigeraunten Buch der Saison“ ernannt. „Noch wach?“ Dann bitte lesen!

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Das meist herbeigeraunteste Buch der Saison: "Noch wach?" von Benjamin von Stuckrad-Barre.

Das meist herbeigeraunteste Buch der Saison: "Noch wach?" von Benjamin von Stuckrad-Barre.

Ironie verbietet sich im Tagesjournalismus. Die Gefahr, missverstanden zu werden, ist zu groß. Aber Süffisanz und Augenzwinkern sind erlaubt. Auch dafür ist meine Kollegin Daniela Vates Expertin. Wieder einmal nachzulesen in „Merkels Orden und Merz‘ Groll“. Sie kann aber auch anders. Die FDP ist ein sehr ernstes Thema, wie sie in ihrem Leitartikel „Die FDP und der kurze Weg zum Klischee“ deutlich macht.

Standen Sie am Freitag auch wieder auf dem Schlauch? Weil kein Fernzug, keine Regionalbahn und auch keine S-Bahn fuhr? Weil eben Warnstreik war. Und wie steht es um die Tarifrunde im öffentlichen Dienst? Klar ist Streik ein legitimes Mittel. Es muss aber wohl überlegt sein. Die Draufsicht von Eva Quadbeck finden Sie hier.

Berichte aus Kriegsgebieten sind immer eine besondere Herausforderung, wenn man nicht vor Ort sein kann. Man braucht gute Kontakte, Vertrauenspersonen und Erfahrung mit den Ländern und im Falle Sudans auch mit der Bundeswehr. Meine Kollegen Markus Decker und Tim Szent-Ivanyi haben den Stand der Dinge über die geplante Evakuierung deutscher Staatsbürger zusammengetragen. Es ist dramatisch.

 

Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Dienstag wieder. Dann berichtet mein Kollege Markus Decker. Bis dahin!

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Herzlich

Ihre Kristina Dunz

Sie möchten uns Ihre Meinung zu den aktuellen Themen und Diskussionen in diesem Newsletter mitteilen? Oder möchten Sie Lob, Kritik und Anregungen mit uns teilen? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an hauptstadt-radar@rnd.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten. Wenn Sie keine Veröffentlichung wünschen, teilen Sie uns dies bitte in Ihrer E-Mail mit.


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