Kommentar: Macron und von der Leyen in China

Ein Glückskeks von Xi für Europa

Seinen Botschafter bei der EU ließ er soeben beteuern, sein Land werde Russland keine Waffen liefern: Chinas Staatspräsident Xi Jinping.

Seinen Botschafter bei der EU ließ er soeben beteuern, sein Land werde Russland keine Waffen liefern: Chinas Staatspräsident Xi Jinping.

Ach, die Europäer! Können die überhaupt irgendetwas bewirken angesichts der Weltkrise? Diese Frage stellen viele, die von den mehrtägigen Gesprächen hören, zu denen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron gemeinsam nach China gereist sind.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

In Wirklichkeit aber haben die Gäste aus Brüssel und Paris in Peking bessere Karten, als es scheint. Das hat nicht etwa mit irgendeiner rührenden Liebe der Chinesen fürs Europäische zu tun, sondern mit schlichter internationaler Machtmechanik.

USA und Russland sind abgeschrieben

Andere Weltmächte wurden von Peking bereits abgeschrieben, auf die eine oder andere Weise.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
  • Die USA bleiben der globale Rivale, daran lässt sich erst mal nichts ändern. In Washington wollen nach der Spionageballonaffäre sowohl Demokraten wie Republikaner „tough on China“ sein. Im Präsidentschaftswahljahr 2024 könnte es einen Wettbewerb um die härteste Linie gegenüber China geben.
  • Russland ist unterdessen abgesunken auf den Status einer chinesischen Rohstoffkolonie. Für alle Welt sichtbar wurde dies im März beim chinesisch-russischen Gipfel in Moskau: Putin zeichnete die jüngsten gigantischen Bestellungen ab, etwa bei Kohle, und bekam im Gegenzug von Xi nichts als einen Händedruck.

Welchen Weg Europa aber in Zukunft nehmen wird, ist für Peking unklar. Und genau diese Unklarheit schafft derzeit Raum für Diplomatie, sie macht Europa zum Joker im großen weltweiten Spiel und erklärt auch die neue chinesische Freundlichkeit.

USA: China kein neutraler Vermittler im Ukraine-Krieg
News Bilder des Tages Russia China Signing Ceremony 8395450 21.03.2023 Chinese President Xi Jinping and Russian President Vladimir Putin sign joint statements on deepening comprehensive partnership and strategic cooperation and on the plan for development of key areas of the economic cooperation until 2030 at the Kremlin, in Moscow, Russia. Vladimir Astapkovich / Sputnik Moscow Russia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xVladimirxAstapkovichx

China solle Russland drängen, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses.

Nette neue Botschaften aus Peking

Pekings jüngste Botschaften lesen sich nett, wie ein Zettel im Glückskeks – als wolle Chinas Präsident Xi den verschreckten Europäerinnen und Europäern endlich mal wieder eine kleine Freude machen. So erschien kurz vor dem Abflug von der Leyens und Macrons ein erstaunliches Interview mit Chinas Botschafter bei der EU, Fu Cong. Darin tritt der Chinese auf wie ein rundum wohlmeinender Mensch, der die ganze Aufregung nicht versteht.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Vorbereitung auf die gemeinsame China-Reise: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am 3. April 2023 in Paris.

Vorbereitung auf die gemeinsame China-Reise: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am 3. April 2023 in Paris.

Wird China den Russen Waffen liefern? „Nein“, beteuert Fu Cong.

Aber hat Peking nicht selbst von einer „grenzenlosen Freundschaft“ mit Russland gesprochen? „Das ist doch nichts anderes als Rhetorik“, sagt Fu Cong.

Und warum spricht Xi nicht auch mal mit Wolodymyr Selenskyj, dem ukrainischen Präsidenten? Xi sei ein viel beschäftigter Mann, sagt Chinas Botschafter bei der EU. Dass er noch nicht mit Selenskyj telefoniert habe, „bedeutet nicht, dass China im Ukraine-Konflikt auf der Seite Russlands steht“.

Da reibt man sich verwundert die Augen. Eins ist klar: Vorsicht bleibt angebracht im diplomatischen Spiel mit dem Drachen. China scheint, egal was es nach außen hin erklärt, den Krieg in der Ukraine nutzen zu wollen, um EU und USA nach und nach auseinanderzutreiben.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Zugleich aber darf man das Positive nicht verkennen. In der Diplomatie haben Freundlichkeiten und die bloße Bekundung von Gesprächsbereitschaft einen Wert an sich.

Europa muss die Sprache der Macht sprechen

Die Handelsmacht China weiß, dass sie weiterhin Zugang braucht zum EU-Binnenmarkt mit seinen 448 Millionen Menschen. Von der Leyen und Macron dürfen jetzt ruhig eine geopolitische Gegenleistung verlangen – und Peking auffordern, Putin endlich zu bremsen.

Europa kann und muss jetzt beherzt einen Keil treiben zwischen Peking und Moskau. Ansatzpunkte gibt es genug. Im Zentrum steht die – sogar in systemnahen Kreisen in Peking kursierende – Frage, ob es nicht ein Riesenfehler von Xi war, dass er Putin bei einem Treffen Anfang Februar 2022 in Peking freie Hand gab für den Überfall auf die Ukraine.

Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping am Ende ihres jüngsten Treffens im März 2023 in Moskau.

Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping am Ende ihres jüngsten Treffens im März 2023 in Moskau.

Inzwischen ist offensichtlich, wie sehr der angebliche Superstratege Putin viele weltpolitisch wirksame Faktoren unterschätzt hat: den Widerstandswillen der Ukrainerinnen und Ukrainer, die Hilfsbereitschaft der EU, den Zusammenhalt in der Nato. Vieles läuft längst gegen die Interessen Pekings, und zwar massiv. Das Ansehen Chinas in aller Welt ist lädiert. Besorgte pazifische Staaten wie Japan, Südkorea und Australien beschließen Rüstungsprogramme wie noch nie. Dass in Tokio jüngst erstmals die kompletten Regierungen von Deutschland und Japan zusammentraten, musste man in Peking schon aus historischen Gründen als bedenklich empfinden.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die gesamte mittlerweile auch für China unschöne weltpolitische Kulisse gibt den Europäern neue Chancen. Sie werden aber in Peking nichts erreichen ohne eine aufrechte Haltung.

Schon im Jahr 2019, kurz vor ihrem Amtsantritt, sagte von der Leyen in einer Grundsatzrede, Europa müsse lernen, „die Sprache der Macht“ zu sprechen. Genau das muss in den nächsten drei Tagen in Peking geschehen, hinter geschlossenen Türen, aber deutlich. Xi wird diese Sprache verstehen.


Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken