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Der Klimaschutz und die Ökonomie: Wie viel Kraft hat der Markt?

Für wirksamen Klimaschutz braucht es eine gewaltige Transformation: Wie viel Kraft hat der Markt selbst?

Für wirksamen Klimaschutz braucht es eine gewaltige Transformation: Wie viel Kraft hat der Markt selbst?

Liebe Leserinnen und Leser,

plötzlich ist es überall in den Nachrichten: Jetzt wird’s endlich ökonomisch beim Klimaschutz. Der Aufreger der Woche war der Verkauf des Kerngeschäfts von Viessmann an das amerikanische Unternehmen Carrier Global. Wohlgemerkt: Das hat die Familie Viessmann freiwillig gemacht, weil sie damit vor allem das Geschäft mit Wärmepumpen retten will. Das Unternehmen ist zu klein, um auf dem Markt, der in den nächsten Jahren gigantische Wachstumsraten bringen wird, zu bestehen. Es stehen mächtige Konkurrenten vor der Tür: Konzerne wie Samsung oder LG (beide Südkorea) oder Daikin, Panasonic und Mitsubishi aus Japan.

In so einem Fall gibt es fürs Management mehrere Möglichkeiten. Denkbar wäre ein Börsengang, um sich bei Investoren Geld zu beschaffen, mit dem die vielen Milliarden Euro an nötigen Investitionen gestemmt werden können – nichts anderes macht jedes Start-up-Unternehmen. Die Alternative wäre, sich am Kapitalmarkt über die Ausgabe von Anleihen zu finanzieren, auch nichts Ungewöhnliches. Viessmann könnte sich so über geliehenes Geld finanzieren.

Die Fertigungshalle für Wärmepumpen bei Viessmann. Der Heizungsbauer verkauft seine Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global.

Die Fertigungshalle für Wärmepumpen bei Viessmann. Der Heizungsbauer verkauft seine Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global.

Doch die Familie hat sich gegen diese beiden Varianten entschieden. Ob das die richtige Strategie ist, ist keineswegs sicher. Aber so ist das in der Marktwirtschaft: Das mögliche Scheitern gehört dazu. Das hat auch gerade CDU-Boss Friedrich Merz auf dem Zukunftskongress seiner Partei betont. Ansonsten warb er wortreich für einen Klimaschutz mit marktwirtschaftlichen Mitteln. Bei diesem Punkt argumentiert die Union nicht gerade konsistent. Julia Klöckner, die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warnte angesichts des Viessmann-Deals gerade davor, dass „ausländische finanzstarke Wärmepumpenproduzenten auch aus China hier auf den Markt drängen“.

Michael Kruse, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion und Fan der Marktwirtschaft, befürchtet gar den Ausverkauf deutscher Technologie. Kruse und Klöckner haben offenbar Angst vor zu viel Wettbewerb. Das ist deshalb merkwürdig, weil gerade das Beispiel Viessmann zeigt: Durch Wettbewerb werden Wärmepumpen in den nächsten Jahren nicht nur effizienter, sondern auch deutlich billiger, weil Stückzahlen steigen (Skaleneffekte) und die Anbieter um Marktanteile kämpfen. Davon werden die Verbraucher profitieren.

Experte Edenhofer: Bepreisung von CO₂-Emissionen als wichtigstes Instrument gegen den Klimawandel

Auf dem Kongress sprach auch Ottmar Edenhofer, Deutschlands renommiertester Klimaökonom. Auch er propagiert den Klimaschutz mittels Markt. Das wichtigste Instrument ist für ihn die Bepreisung von CO₂-Emissionen. Wird das konsequent durchgesetzt, wird sich beispielsweise das Heizen mit Öl- und Gasheizungen in den nächsten Jahren so stark verteuern, dass das Ersetzen der alten fossilen Heizung zur Notwendigkeit wird.

Sprach beim CDU-Zukunftskongress mit Parteichef Friedrich Merz: Deutschlands wichtigster Klimaökonom, Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Sprach beim CDU-Zukunftskongress mit Parteichef Friedrich Merz: Deutschlands wichtigster Klimaökonom, Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Doch die Investitionen für Wärmepumpen werden trotz Skaleneffekten beträchtlich bleiben. Edenhofer räumt denn auch ein: Wenn Klimaschutz wirksam sein soll, dann werden einkommensschwache Haushalte finanziell massiv belastet, und zwar in vielerlei Hinsicht. Weil es beispielsweise auch beim Preis für Kraftstoff deutlich nach oben geht.

Für Edenhofer bedeutet dies, dass es finanzielle Unterstützung für Ärmere geben muss. Und das ist nicht die einzige Aufgabe des Staats. Es braucht eine Industriepolitik, etwa um die Ansiedlung von Solarfirmen in Deutschland zu forcieren. Womöglich auch, um der Wärmepumpenproduktion in Europa mit Subventionen auf die Sprünge zu helfen. Denn Klöckner liegt in einem Punkt richtig: Die Gefahr, dass chinesische Anbieter mit Dumpingpreisen den hiesigen Markt überschwemmen, ist real.

Alleine kann die Marktwirtschaft die gewaltige Transformation nicht bewältigen

Was das für die Finanzpolitik bedeutet? Die Antwort war am Freitagvormittag in den Nachrichten zu hören: Laut einer Studie der Denkfabrik New Economics Foundation können nur die wenigsten EU-Länder die Pariser Klimaziele erreichen, wenn sie sich an die Schuldenregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU halten. Diese sollen zwar reformiert werden, die Grundregeln (Staatsschulden bei maximal 60 Prozent und Haushaltsdefizite unter 3 Prozent der Wirtschaftsleistung) sollen aber bestehen bleiben.

Das alles zeigt: Marktwirtschaft ist nötig, aber sie allein kann die gewaltige Transformation nicht bewältigen. Es braucht auch einen aktiven Staat, der viel Geld in die Hand nimmt. Die restriktiven Schuldenregeln der EU und die hiesige Schuldenbremse wurden in der Vergangenheit ohnehin vielfach übergangen, die Politik muss sich so schnell wie möglich endlich endgültig davon verabschieden, denn ansonsten geht es mit dem Klimaschutz und der Ökonomie den Bach runter.

Ihr Frank-Thomas Wenzel

 

Was kann ich tun?

Um die Folgen des Klimawandels in Städten besser in den Griff zu bekommen, empfiehlt ein britischer Wissenschaftler gezielte Anreize für Gartenbesitzer. Diese sollten für das Anlegen begrünter, nachhaltiger Gärten beispielsweise mit einer Steuererleichterung oder vergünstigten Wasserpreisen belohnt werden, lautet die von Ross Cameron von der Universität Sheffield vorgestellte Idee.

Gärten, die immerhin ein Drittel der urbanen Räume ausmachten, seien „elementar, um Gebäude und städtische Umgebungen im Sommer kühl zu halten, Regen aufzunehmen, Überschwemmungen zu verhindern und einen wichtigen Rückzugsort für Tiere zur Verfügung zu stellen“, argumentiert Cameron.

Schottergarten vs. grüner Garten: Während Insekten den einen meiden, fühlen sie sich im anderen pudelwohl.

Ein Schottergarten (links) und ein grüner Garten (Symbolbild).

 

Das macht Hoffnung

Der Verkehr ist eines der (vielen) Sorgenkinder beim Klimaschutz. Im vergangenen Jahr wurden die Vorgaben zur CO₂-Einsparung verfehlt. Die Emissionen stiegen im Vergleich zum Vorjahr auf 148 Millionen Tonnen CO₂ leicht an. Nachdem die Corona-Einschränkungen weitgehend aufgehoben worden seien, habe der Pkw-Verkehr wieder leicht zugenommen, so das Bundesumweltamt.

Was daran Hoffnung macht? Es könnte sich etwas ändern. Denn am Montag startet das 49-Euro-Ticket oder Deutschlandticket. Das wird natürlich noch nicht ausreichen, um sofort für den großen Umschwung vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr zu sorgen. Aber es ist ein Anfang – und für Pendlerinnen und Pendler in vielen Fällen wirklich eine Erleichterung.

Oder wie es Jens Hilgenberg sagt, der Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: „Das 49-Euro-Ticket macht Bus und Bahn deutlich unkomplizierter, zaubert aber keine neuen Bahnhöfe, Haltestellen und Verbindungen aufs Land. Die Einführung kann deswegen nur der Start sein.“

 

Was diese Woche wichtig war

 

Der Ausblick

„Wir haben Handlungsbedarf“, sagte Vizekanzler und Wirtschafts­minister Robert Habeck in der vergangenen Woche – und meinte die Wärmewende, bei der Deutschland spät dran sei. Künftig wird in Deutschland deswegen ab 2024 der Einbau von Öl- und Gasheizungen verboten. Das entsprechende Gebäude­energie­gesetz und der Heizungs­tausch sind in der Ampel noch immer hochumstritten – obwohl es das Kabinett bereits passiert hat.

Heute, am Freitag, 28. April kann Robert Habeck erklären, wieso das Gesetz aus seiner Sicht sinnvoll ist. Dann ist der Vizekanzler, Wirtschafts- und Klimaschutz­minister um 19.30 Uhr live zu Gast bei „RND vor Ort“ in Kiel. Verfolgen Sie den Talk hier im Livestream.

Am Freitag bei „RND vor Ort“ in Kiel: Robert Habeck.

Am Freitag bei „RND vor Ort“ in Kiel: Robert Habeck.

 

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