Newsletter „Klima-Check“

Wie die EU den Regenwald vor der Abholzung schützen will

Ein Regenwald in Brasilien.

Ein Regenwald in Brasilien.

Liebe Leserinnen und Leser,

das Europäische Parlament hat in dieser Woche ein bemerkenswertes neues Gesetz auf den Weg gebracht: Künftig müssen Produzenten nachweisen, dass für ihre Schokoriegel, Espressokapseln oder Rindfleischsteaks keine Waldflächen gerodet oder beschädigt wurden. Dies gilt für alle Produkte, die unter anderem Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch, Soja oder Holz enthalten – und natürlich für die Rohstoffe selbst.

Dass dieses Gesetz grundsätzlich richtig ist, ist offenkundig. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schätzt, dass zwischen 1990 und 2020 rund 420 Millionen Hektar Wald in Flächen umgewandelt wurden, die häufig als Ackerfläche genutzt werden. Zum Vergleich: Das ist eine Fläche, die größer ist als die EU selbst. Das verschlimmert auch die Klimakrise, weil Wälder CO₂ binden. Rodungen sind für etwa 11 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Brasilien, Porto Velho: Holzstämme werden in einem Sägewerk gestapelt, das von kürzlich verkohlten und abgeholzten Feldern umgeben ist.

Brasilien, Porto Velho: Holzstämme werden in einem Sägewerk gestapelt, das von kürzlich verkohlten und abgeholzten Feldern umgeben ist.

Spannend wird es aber immer dann, wenn es an die Umsetzung solcher Gesetze geht. Das hehre Ziel alleine hilft schließlich nicht, wenn die neue Regel in der Folge schlecht kontrolliert wird. Deswegen ein kurzer Blick in die geplante Umsetzung, denn die ist durchaus spannend:

  • Die Produzenten müssen mit geografischen Koordinaten nachweisen, woher ihre Produkte stammen. Die EU-Behörden sollen dann mithilfe von Satellitenüberwachungsinstrumenten und DNA-Analysen überprüfen, ob das stimmt.
  • Weil diese Kontrollen aufwendig sind und nicht jeder Wald gefährdet ist, werden die Herkunftsländer in drei Risikogruppen eingeteilt. Länder mit den gefährdetsten Wäldern werden am häufigsten kontrolliert. „Wer dieses Gesetz umgehen will, wird das wahrscheinlich auch irgendwo schaffen“, sagte Anke Schulmeister-Oldenhove vom WWF in der „Tagesschau“. Doch die meisten Beobachter halten das Verfahren trotzdem für grundsätzlich sinnvoll.
  • Als Stichtag wurde der 31. Dezember 2020 festgelegt. Stammt ein Produkt von einer Fläche, die vor diesem Tag ein Wald war, darf es in der EU nicht mehr verkauft werden. Übrigens: Ein Wald, der beschädigt wird oder in einen Plantagenwald umgewandelt wurde, fällt auch unter das Gesetz.
Auch Wälder, die wie hier in Indonesien für Palmölplantagen umgewandelt werden, fallen unter das neue Gesetz.

Auch Wälder, die wie hier in Indonesien für Palmölplantagen umgewandelt werden, fallen unter das neue Gesetz.

Wie so häufig gibt es auch bei diesem Gesetz mehrere Kritikpunkte. So steht Futtermais zum Beispiel nicht auf der Liste der kontrollierten Produkte. Frankreich und Rumänien hatten sich zusammen mit anderen EU‑Staaten dagegen gewehrt, weil sie Mais als wichtiges Futtermittel für ihre Viehzuchten schützen wollten. Immerhin soll die EU‑Kommission in zwei Jahren prüfen, ob weitere Waren einbezogen werden. Doch auch wenn das Gesetz noch umfangreicher hätte ausfallen können, ist es ein erstaunlicher Schritt und auch eine kreative Lösung der Parlamentarier (die es übrigens mit großer Mehrheit beschlossen haben).

Nun müssen nur noch die EU-Mitgliedsländer zustimmen. Das aber gilt aber als Formsache und wird wahrscheinlich Anfang Mai geschehen. In Kraft tritt es wohl im Herbst 2024 – und zwingt in der Folge auch die Hersteller von beispielsweise Schokoaufstrichen, dass für das verwendete Palmöl kein Regenwald gerodet wurde.

Ihr Ansgar Nehls

 

Was kann ich tun?

„Wir haben Handlungsbedarf“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Die Aufgabe der Wärmewende sei groß, und Deutschland fange vergleichsweise spät an, sie zu lösen. Deutschland decke 80 Prozent seines Wärmebedarfs aus fossilen und nur 20 Prozent aus erneuerbaren Energien. In Dänemark sei es umgekehrt, betonte Habeck.

Deswegen hat die Bundesregierung ihr Gesetz für den Heizungstausch auf den Weg gebracht. Schon ab dem kommenden Jahr müssen neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Klassische Öl- und Gasheizungen stehen damit vor dem Aus. Eine sofortige Austauschpflicht für Heizungen in Bestandsgebäuden gibt es allerdings nicht. Nur falls Geräte kaputtgehen und nicht mehr repariert werden können, muss auf klimaschonende Heiztechnologien umgestellt werden. Und dann zahlt der Staat 30 Prozent dazu – mindestens. Denn es gibt zusätzlich noch einen neuen Klimabonus.

Was das heißt und welche Kritik es daran gibt, hat mein Kollege Andreas Niesmann aufgeschrieben.

Blick auf die Häuser der Berliner Gropiusstadt – künftig zahlt der Staat mindestens 30 Prozent zur neuen Heizung dazu.

Blick auf die Häuser der Berliner Gropiusstadt – künftig zahlt der Staat mindestens 30 Prozent zur neuen Heizung dazu.

 

Das macht (ein bisschen) Hoffnung

Wasserstoff gilt als klimaneutrale Heizalternative zu Öl und Gas. Doch wie können Privathaushalte mit dem Element Energie gewinnen? Die Antwort meiner Kollegin Laura Beigel: Es ist kompliziert. Denn eine nachhaltige Energielösung, die das Klima nicht belastet, ist nur der grüne Wasserstoff. Er allein erfüllt die Anforderungen des Pariser Klimaschutzabkommens. Der Haken an der Sache ist: Es braucht große Mengen an Ökostrom, um grünen Wasserstoff herzustellen – und die sind noch nicht vorhanden. Somit ist es bisher nicht möglich, den Energieträger flächendeckend zu nutzen. Doch es gibt Möglichkeiten, wie Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer schon jetzt Wasserstoff verwenden können. Wie das geht und wie praktikabel das aktuell ist, hat Laura Beigel für Sie aufgeschrieben.

Kochen, fernsehen, heizen, Wäsche wachen – der Strom und die Wärme für diese und andere Alltäglichkeiten könnten in Zukunft aus Wasserstoff stammen.

Kochen, fernsehen, heizen, Wäsche wachen – der Strom und die Wärme für diese und andere Alltäglichkeiten könnten in Zukunft aus Wasserstoff stammen.

 

Was diese Woche wichtig war

 

Der Ausblick

Am Mittwoch wird der deutsche Abenteurer und Klimaschützer Arved Fuchs 70 Jahre alt. Er war der erste Deutsche, der 1989 den Nordpol zu Fuß erreichte. Im selben Jahr brauch er zu seiner schon legendären Antarktis-Expedition mit Reinhold Messner auf. Und er entschied sich für den Klimaschutz. Bei seinen Expeditionen in die Arktis sah er die Eisschmelze mit eigenen Augen. „Das hat mir, ehrlich gesagt, so ein bisschen die Unbefangenheit genommen“, sagt Fuchs. Er habe nicht mehr von einer Fahrt zurückkommen und nur noch spannende Geschichten und schöne Bilder vermitteln können. Seitdem thematisiert er den Klimawandel auch in seinen Vorträgen.

Arved Fuchs, Polarforscher und Abenteurer.

Arved Fuchs, Polarforscher und Abenteurer.

 

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