Militärexperte erklärt

Polen und Slowakei liefern der Ukraine MiG-29-Kampfjets: Was bedeutet das für den Krieg?

Kampfjets vom Typ MiG-29 fliegen während einer Flugshow über einen Flughafen in der Slowakei. (Archivbild)

Kampfjets vom Typ MiG-29 fliegen während einer Flugshow über einen Flughafen in der Slowakei. (Archivbild)

Berlin. Polen hat am Donnerstag den ersten Schritt gemacht, am Freitag ist die Slowakei nachgezogen: Beide Länder wollen der Ukraine insgesamt 17 MiG-29-Kampfjets sowjetischer Bauart liefern. Es sind die ersten offiziellen Lieferungen von Kampf­flugzeugen an die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar 2022.

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Fast so lange wie der Krieg dauert bereits auch die Diskussion um die Unterstützung der Ukraine mit Kampf­flugzeugen an. Schon in den ersten Kriegstagen brachte Polen eine Lieferung von MiG-29-Jets ins Spiel. Tatsächlich geliefert wurde von den Verbündeten dann aber zunächst nichts außer Ersatzteilen für die Kampf­flugzeuge aus den 1980er-Jahren. In den vergangenen Monaten wurden die Rufe aus Kiew nach den Kampfjets immer lauter – doch der Westen zögerte weiter.

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Militärexperte: Westen zeigt, dass es bei Ukraine-Unterstützung keine Limits gibt

Nun soll geliefert werden. Aber haben die MiG-29-Jets in ukrainischen Reihen überhaupt eine Bedeutung für den Verlauf des Kriegs? „Ja, sie helfen“, meint Militär­experte Sönke Neitzel. Doch dabei müsse man zwischen dem politischen Signal und der militärischen Bedeutung unterscheiden. „Der Westen zeigt nun, dass er weiterhin bereit ist, die Ukraine zu unterstützen, und dass es dabei keine Limits gibt“, sagt der Professor für Militär­geschichte an der Universität Potsdam im Gespräch mit dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Und anders als bei den Panzer­lieferungen gingen die osteuropäischen Verbündeten der Ukraine nun offenbar allein voran.

Bei der Debatte um Lieferungen von deutschen Kampf­panzern des Typs Leopard 2 hatte die polnische Regierung Berlin lange unter Druck gesetzt. Als es dann tatsächlich zur Bildung einer europäischen Panzer­koalition kommen sollte, reagierte Polen jedoch plötzlich verhalten. Warschau habe bei den Panzern das Problem der Versorgungskette wohl nicht zu Ende gedacht, vermutet Militär­historiker Neitzel.

Ein slowakischer Kampfjet vom Typ MiG-29UB fliegt mit hoher Geschwindigkeit. (Archivbild)

Ein slowakischer Kampfjet vom Typ MiG-29UB fliegt mit hoher Geschwindigkeit. (Archivbild)

Mit etwa 150 Flugzeugen war die Luftwaffe der Ukraine vor Beginn des Krieges sehr klein, und durch die Kampf­handlungen hat es Verluste gegeben.

Militärexperte Sönke Neitzel

Polen und die Slowakei gehören zu den wenigen europäischen Staaten, die noch MiG-29-Flugzeuge in ihren Beständen haben. Warschau kann auf knapp 30 der Jagd­flugzeuge zurückgreifen, wovon einige wenige lediglich zu Trainings­zwecken genutzt werden. Obwohl zunächst nur vier MiG-29 für die Ukraine angekündigt wurden, wolle Warschau nach erfolgter Wartung mehr als zehn weitere Maschinen zeitnah abgeben, kündigte Präsident Duda am Donnerstag an. Mit der Lieferung von 13 MiGs wird die Slowakei ihre eigenen Bestände an den sowjetischen Kampfjets wohl vollständig leeren.

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Etwa ein Dutzend der polnischen MiG-29 stammten aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR, teilte Duda mit. Diese dürfte Warschau nur mit Erlaubnis der Bundes­regierung abgeben. Berlin habe jedoch noch keinen Antrag vorliegen, sagte ein Sprecher am Freitag. Dass die Lieferung noch am deutschen Widerstand scheitern könnte, glaubt Militär­experte Neitzel jedoch nicht: „Berlin wird sich der Lieferung kaum verweigern.“

Welche Vorteile haben MiG-29-Kampfjets für die Ukraine?

Militärisch gehe es laut Neitzel vor allem darum, die Fähigkeit der Ukraine zur Luftverteidigung zu erhalten. „Mit etwa 150 Flugzeugen war die Luftwaffe der Ukraine vor Beginn des Krieges sehr klein, und durch die Kampf­handlungen hat es Verluste gegeben“, sagt der Militär­historiker dem RND. Liefert der Westen jedoch keine Kampf­flugzeuge, wäre die ukrainische Luftwaffe wohl bald vollständig zerstört. Mit den Lieferungen selbst älterer Kampf­flugzeuge helfe man dabei, dass die Ukraine weiter in der „dritten Dimension“, also neben Land und Wasser auch in der Luft, kämpfen könne.

Das sowjetische Gerät habe dabei Vorteile für die Ukraine, meint Neitzel. „Es handelt sich um ein älteres Modell aus den 1980er-Jahren, das aber mittlerweile auf Nato-Standard gebracht wurde“, so der Experte. Rechner, Radare und Cockpits seien zwar nicht auf dem allerneusten, aber auf modernem Stand. Die MiG-29 seien sehr wendig und auch auf schlechten Pisten einsetzbar. Außerdem seien die ukrainischen Piloten mit den Maschinen bereits vertraut, es brauche keine zusätzliche Ausbildung. Das Flugzeug habe besonders im Kurvenkampf Vorteile, auch wenn dieser heutzutage nur noch selten geführt werde. Dafür komme es mehr auf den Einsatz moderner Raketen an, so der Historiker. Ob ein solches Flugzeug einen Mehrwert hat, hänge stets von seiner Bewaffnung und der Ausbildung der Besatzung ab, gibt Neitzel zu bedenken.

„Keine einzelne Waffenlieferung gewinnt diesen Krieg“

Eine Wende für den Krieg sei mit der Lieferung der sowjetischen Jagd­flugzeuge aber nicht zu erwarten, wiegelt der Militär­experte ab. „Keine einzelne Waffenlieferung gewinnt diesen Krieg“, sagt Neitzel. „Die Aufgeregtheit der Debatte spiegelt nicht die reale militärische Bedeutung dieser Waffen wider.“ Wenn es dem Westen darum gehe, die Kampfkraft der Ukraine langfristig zu erhalten, müssten über kurz oder lang auch US-amerikanische F‑16-Kampfjets an das Land geliefert werden. Ohnehin sollte das sowjetische Material in den ukrainischen Streitkräften durch westliches Gerät ersetzt werden, derzeit gebe es noch einen „wilden Mix“ an Waffens­ystemen, schätzt Neitzel die Situation ein.

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Der Luftkrieg in der Ukraine findet aktuell vor allem mit Boden-Luft-Raketen und von russischer Seite aus auch mit Luft-Luft-Raketen statt.

Militärexperte Sönke Neitzel

Dabei haben seiner Meinung nach andere Waffen­systeme zunächst höhere Bedeutung – zum Beispiel Boden-Luft-Raketen. „Der Luftkrieg in der Ukraine findet aktuell vor allem mit Boden-Luft-Raketen und von russischer Seite aus auch mit Luft-Luft-Raketen statt“, erklärt Neitzel. Russland nutze seine Kampf­flugzeuge vor allem dazu, von russischem Territorium aus Raketen auf die Ukraine zu feuern. In viel geringerem Ausmaße würden Luftkämpfe auch über ukrainischem Boden geführt. Wenn die Ukraine nun wieder über mehr Kampf­flugzeuge verfüge, müsste es sich Russland zweimal überlegen, ob es einen Angriff auf ukrainisches Hinterland fliegen wolle, da mit Widerstand zu rechnen sei, so der Experte.

Und auch für Polen und die Slowakei könnten die Kampfjet­lieferungen an die Ukraine Vorteile haben. „Die europäischen Luftwaffen befinden sich derzeit in der Umrüstung“, sagt Neitzel. Bei der Ankündigung der Lieferung von MiG-29 dürfte auch eine Rolle gespielt haben, welchen Ersatz die beiden Länder für die sowjetischen Kampfjets bekommen. „MiG-29 sind altes Material, was man abgeben kann“, so Neitzel. Und das könnte schneller als gedacht durch moderne Maschinen wie US-amerikanische Flugzeuge vom Typ F‑35 oder F‑16 ersetzt werden.

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