Schuldspruch von vier Proud Boys: ein empfindlicher Schlag auch für Donald Trump
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Der damalige Anführer der Proud Boys, Enrique Tarrio, mit rechten Gesinnungsgenossen bei einer Demonstration in Washington nach der Präsidentschaftswahl im Dezember 2020.
© Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com
Washington. Die Fernsehbilder vom gewaltsamen Sturm auf das Washingtoner Kapitolgebäude schockierten gerade das ganze Land, als Enrique Tarrio am 6. Januar 2021 eine Textnachricht versandte: „Das haben wir gemacht!“, brüstete sich der damalige Anführer der rechtsextremen Miliz Proud Boys. Kurz darauf schrieb er in einem Onlinepost: „Ich bin stolz auf meine Jungs und mein Land.“ Videoaufnahmen belegen, dass die Mitglieder der neofaschistischen Männergruppe bei dem Aufruhr, in dessen Folge fünf Menschen starben und 140 Polizisten verletzt wurden, tatsächlich an vorderster Front kämpften.
Zwei Jahre später vor dem Kadi trat der Schlägertrupp deutlich kleinlauter auf: Sein Mandant habe lediglich auf sein politisches Idol gehört, behauptete Tarrios Verteidiger Nayib Hassan. Nun solle er „zum Sündenbock für Donald Trump und die da oben an der Macht“ gemacht werden. Doch die Geschworenen eines Washingtoner Gerichts ließen sich davon nicht beirren: Am Donnerstag sprachen sie Tarrio und drei weitere Mitglieder der Proud Boys wegen „aufrührerischer Verschwörung“ schuldig. Dieser Straftatbestand wird in der US-Rechtspraxis nur selten angewandt. Die darauf folgende Haftstrafe, über die im August entschieden wird, kann bis zu 20 Jahren betragen.
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Mitglieder der Proud Boys waren bei der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols im Januar 2021 in vorderster Front dabei.
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Ein Meilenstein für die amerikanische Justiz
Die Verurteilung der vier Aufrührer ist ein Meilenstein für die amerikanische Justiz bei der juristischen Aufarbeitung des Kapitolsturms, durch den die formale Bestätigung der Präsidentschaft von Joe Biden im Parlament verhindert werden sollte. Seit dem Januar 2021 wurden mehr als 1000 Verfahren gegen Beteiligte eröffnet. Tarrio und seine Gesinnungsgenossen gehörten zu den hochrangigsten Angeklagten. „Die Verurteilungen machen klar, dass das Justizministerium alles in seiner Macht Stehende tut, um das amerikanische Volk und die Demokratie zu verteidigen“, erklärte Justizminister Merrick Garland.
Doch der Gerichtsspruch könnte auch wichtige Auswirkungen für Donald Trump und die Arbeit von Sonderermittler Jack Smith haben, der dem Ex-Präsidenten die Anstiftung zu dem Aufruhr nachzuweisen versucht. In der Washingtoner Anklageschrift werden die Proud Boys nämlich als „Donald Trumps Armee“ bezeichnet. Tatsächlich hatte Trump in der Fernsehdebatte mit Biden im September 2020 die misogyne rechte Schlägertruppe ausdrücklich aufgerufen: „Proud Boys, haltet euch bereit!“ Nachdem er im Dezember dann bei Twitter für den 6. Januar zu einer Demonstration in Washington aufgerufen hatte, die „wild“ werden solle, gründeten Tarrio und seine Gefährten insgeheim ein sogenanntes „Ministerium für Selbstverteidigung“.
Mit Funkgeräten und Baseballschlägern
Bei Trumps Kundgebung am 6. Januar außerhalb des Weißen Hauses waren nach Erkenntnissen der Behörden rund 200 Proud Boys anwesend. Einige trugen die typische schwarz-gelbe Kluft, andere Militärkleidung. Auf Videoaufnahmen sind auch Funkgeräte und Baseballschläger zu sehen. Nachdem der Ex-Präsident behauptet hatte, ihm sei der Wahlsieg gestohlen worden, zogen die Milizionäre mit den anderen Protestlern zum Kapitol. Bei der dortigen Erstürmung waren sie ganz vorne dabei und schlugen unter anderem mit einem Polizeischild ein Fenster des Parlamentsgebäudes ein.
Proud-Boys-Anführer Tarrio freilich verfolgte die Aktion aus 50 Kilometern Entfernung in Baltimore. Er war am Vortag nach der öffentlichen Verbrennung einer Black-Lives-Matter-Fahne aus Washington ausgewiesen worden. Das Gericht sah es aber als erwiesen an, dass er die gewaltsame Aktion verantwortet und im Hintergrund organisiert hatte. In den sozialen Medien feuerte er seine Mitglieder an: „Tut, was getan werden muss!“
Die 2016 gegründeten Proud Boys bezeichnen sich selbst als „westliche Chauvinisten“ und gelten als die aktivste rechtsextreme Gruppe in den USA. Sie liefern sich regelmäßig Straßenkämpfe mit linken Aktivisten. In Kanada werden die neofaschistischen „Hipster-Rassisten“, die strenge Aufnahmerituale pflegen, von den Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft.