Landrat Thorsten Stolz erinnert sich an seine Zeit als junger Bürgermeister von Gelnhausen und spontane Besuche von Hans Rüger im Rathaus. „Wie laufen die Geschäfte?“, lautete meistens die Eingangsfrage, bevor der Altlandrat dann einige Anekdoten aus seiner bewegten politischen Vergangenheit berichtete. Bis ins hohe Alter hat er die Vorgänge im Main-Kinzig-Kreis aufmerksam verfolgt und war selten um einen hintergründigen Kommentar verlegen.
Gemeinsam mit dem Kreistagsvorsitzenden Carsten Ullrich gedenkt die Kreisspitze eines verdienten und außergewöhnlichen Menschen, dem der Main-Kinzig-Kreis sein Gesicht verdanke. „Wir würdigen heute in gleichem Maße einen vorbildlichen Politikstil und einen respektvollen Umgang miteinander sowie eine Lebensleistung mit den Merkmalen Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein und einem ganz besonderen Humor“, heißt es in der gemeinsamen Würdigung.
In bester Erinnerung sei auch Rügers Auftritt anlässlich der großen Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen des Main-Kinzig-Kreises. „Hans Rüger hat als leidenschaftlicher Kommunalpolitiker, als Landrat und als Mensch den Main-Kinzig-Kreis nachhaltig geprägt und wird als ‚Mann der ersten Stunde‘ unvergessen bleiben“, sagt Thorsten Stolz.
Dabei sei sein Wahlsieg 1974 für nahezu alle fachkundigen Beobachter „eine echte Überraschung“ gewesen, galt der damalige Landrat aus Gelnhausen doch nicht unbedingt als Freund der aus Wiesbaden aufgesetzten Gebietsreform. Doch der bürgernahe, authentische und pragmatische Kandidat Hans Rüger überzeugte die Mehrheit der Wähler und trat damit an die Spitze des ungeliebten „Kunstgebildes“.
Obwohl er eigentlich der Landwirtschaft treu bleiben wollte, begann Rügers politische Laufbahn bereits in seiner Heimatgemeinde Hilmes bei Bad Hersfeld, wo er 1925 geboren wurde. Nach der Schulzeit musste er zunächst zum Militär, kam in Gefangenschaft. Als er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Hessen zurückkehrte, übernahm er mit gerade mal 20 Jahren die elterliche Landwirtschaft. Wie er einmal zurückblickend erzählte, weckten die Situation des zerstörten Landes, das 13,5 Millionen Flüchtlinge aufnehmen musste, sowie die persönliche Begegnung mit Überlebenden eines Konzentrationslagers und die weitreichenden Folgen des Krieges sein politisches Bewusstsein.
Einige Jahre später gründete er zunächst eine Familie, pachtete einen eigenen 600-Morgen-Hof in Altenhaßlau und engagierte sich vor Ort politisch. 1965 wurde er Fraktionsvorsitzender der CDU im Gelnhäuser Kreistag. Am 21. Dezember 1967 wählte der Kreistag den damals 42-Jährigen zum Nachfolger von Landrat Heinrich Kreß.
Bis 1987 stand Rüger schließlich an der Spitze des Main-Kinzig-Kreises, ehe er vom damaligen SPD-Oppositionsführer Karl Eyerkaufer abgelöst wurde. Der Nachfolger von Hans Rüger erinnert sich bis heute an „die harten Auseinandersetzungen in der Sache und die gleichzeitige Freundschaft unter engagierten Menschen, die eigentlich alle das Gleiche wollen – Wohlergehen für die Bürger“. Durch diese klare Haltung habe Hans Rüger sich den Respekt über alle politischen Grenzen hinweg verdient, unterstreicht Karl Eyerkaufer. Geschätzt wurde Hans Rüger auch wegen seines jederzeit pragmatischen Handelns. Als Mitte der 80er-Jahre der Maschinenbauer Wibau mit Sitz in Gründau spektakulär in Konkurs ging, fragte der Landrat und Sozialdezernent nicht lange nach Zuständigkeiten und Paragraphen. Er gründete stattdessen kurzerhand eine Beschäftigungsgesellschaft, um von der Firmenpleite betroffenen Auszubildenden ihren Abschluss zu ermöglichen. Daraus ging das Berufsbildungs- und Beschäftigungszentrum (BBZ) hervor, das später zur kreiseigenen Gesellschaft für Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung (AQA) wurde.
Als Landrat besetzte Hans Rüger auch eine Schlüsselfunktionen im Hessischen Sparkassen- und Giroverband, ab 1983 als dessen Präsident. Zudem gründete er unter anderem 1985 die Sparkassen-Sportstiftung. Für seine Verdienste erhielt er die Dr.-Johann-Christian-Eberle-Medaille, die höchste Auszeichnung, die der Verband zu vergeben hat. 1987 erhielt er zudem das große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Sein „unkonventionelles Handeln bei politischen Vorhaben“ als damaliger Landrat habe Hans Rüger sehr gerne mit dem Hinweis auf das „Gelnhäuser Landrecht“ begründet, wie sich Erich Pipa an die Tatkraft seines Vor-Vorgängers anlässlich dessen 90. Geburtstages erinnerte. Die Formulierung aus Pipas Ansprache vom Dezember 2015 beschreibt das Andenken an eine besondere Persönlichkeit: „Ganz gleich, ob wir über seine politische Arbeit als Christdemokrat, seine Amtsführung als Landrat, seine Tätigkeit im Sparkassenwesen oder über den Privatmann reden: Hans Rüger war immer Hans Rüger. Und seine Handschrift war einzigartig.“
Damit die Bürger ihre Anteilnahme ausdrücken können, hat der Main-Kinzig-Kreis im Eingangsbereich des Landratsamtes sowie in digitaler Form auf der Homepage www.mkk.de (Rubrik Aktuelles) ein Kondolenzbuch ausgelegt.