Bankenbeben: Sturm im Wasserglas oder Vorbote der nächsten großen Krise?
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Ein Aktienhändler an der Börse beobachtet die Kursentwicklung auf seinem Monitor. Nach den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor beobachten Finanzexperten die Entwicklung an den internationalen Börsen aufmerksam.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Berlin. Die Nachrichten von den Finanzmärkten lassen ungute Erinnerungen wach werden. An den Sommer 2008, als erst die US-Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac ins Wanken gerieten, bevor die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers das Weltfinanzsystem in den Abgrund zog – und in Deutschland die Hypo Real Estate mit mehr als 100 Milliarden Euro gerettet werden mussten.
Entsprechend nervös reagierten die Finanzmärkte, als in der vergangenen Woche die auf Start-up-Finanzierung spezialisierte Silicon Valley Bank zusammenbrach und einige weitere Regionalbanken in den USA in Turbulenzen gerieten. Weltweit gingen Bankaktien auf Talfahrt.
Credit Suisse leiht sich bis zu 50 Milliarden Franken bei Schweizer Nationalbank
Bankchef Ulrich Körner sagte, dass man mit diesen Maßnahmen die Credit Suisse stärken wolle im Rahmen des strategischen Wandels.
© Quelle: Reuters
Nach hektischen Interventionen der US-Regierung schien sich die Lage zu Beginn der Woche gerade zu beruhigen, da kamen plötzlich neue Hiobsbotschaften aus der Schweiz: Die seit Monaten kriselnde zweitgrößte Bank des Landes, die Credit Suisse, hatte offenbar das Vertrauen ihres größten Aktionärs, der Saudi National Bank, verloren. So jedenfalls interpretierten die Finanzmärkte Äußerungen des Aufsichtsratschefs Amma Al Khudairy, wonach die Saudis im Ernstfall kein frisches Kapital mehr nachschießen würden.
Die Aktie der Credit Suisse brach nach der Ankündigung um beinahe ein Drittel ein, obwohl Vorstandschef Ulrich Körner beteuerte, über starke Kapital und Liquiditätsbasis zu verfügen. Und wieder rauschten auch die anderen Bankentitel an den internationalen Börsen nach unten. Die Credit Suisse zählt zur Liste der 30 internationalen Großbanken, die vom weltweiten Finanzstabilitätsrat als systemrelevant eigestuft worden sind. Würde sie fallen, wäre ein Dominoeffekt die wahrscheinliche Folge.
50 Milliarden über Nacht
Wohl auch aus diesem Grund schneiderte die Schweizer Nationalbank über Nacht ein milliardenschweres Stützungsprogramm. Kredite in Höhe von 50 Milliarden Franken (50,7 Milliarden Euro) stellte die Notenbank zur Verfügung. Man nehme dieses Geld an, um die Liquidität „präventiv zu stärken“, hieß es bei der Credit Suisse. Außerdem will das Institut mit den Mittel eigenen Anleihen zurückkaufen, um die sprunghaft gestiegenen Refinanzierungskosten zu drücken.
An den Börsen kam das Rettungsprogramm gut an. Die Aktie der Credit Suisse stieg am Donnerstag um zeitweise über 30 Prozent, womit es die Verluste des Vortages wieder wettgemacht hätte. Allerdings gab das Papier im Tagesverlauf wieder ein Stück nach. Auch andere Banken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank erholten sich zwischenzeitlich, bevor die Notierungen wieder nach unten zeigten.
Die Zig-Milliarden-Dollar-Frage lautet nun, ob das kurzzeitige Bankenbeben nur ein Sturm im Wasserglas ist, oder Vorbote einer neuerlichen Finanzkrise. Derzeit neigen die meisten Marktbeobachter und Akteure zu der ersten Interpretation – wohl auch deshalb, weil die Credit Suisse weniger ein Problem mit ihrer Substanz als mit ihrer Reputation hat. Das Institut macht seit Monaten mit immer neuen Skandalen und Skandälchen von sich Reden. Ein guter Ruf aber ist für Privatbanken nahezu überlebensnotwendig. Wenn zu viele Anleger das Vertrauen verlieren und ihre Konten leerräumen, ist auch das solideste Institut früher oder später zahlungsunfähig.
Die EZB hält Kurs
Die Europäische Zentralbank (EZB) ließ laut Bericht mehrerer Zeitungen ihre Bankenaufsicht vorsorglich das Engagement der größten europäischen Geldhäuser bei der Credit Suisse abfragen. Das sei ein Standardprozedere, um mögliche Ansteckungskanäle offenzulegen, hieß es demanch. Offenbar liefert das Ergebnis keinen Grund zu zusätzlicher Beunruhigung. Jedenfalls hielt es die EZB nicht davon ab, die Zinsen ein weiteres Mal kräftig zu erhöhen.
Um 0,5 Prozentpunkte auf nunmehr 3,5 Prozent hoben die Währungshüter den Leitzins im Euroraum an. „Der Bankensektor des Euroraums ist widerstandsfähig: Kapital- und Liquiditätspositionen sind solide“, teilte die EZB mit.
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Die Zentralbanker sehen in der nach wie vor hohen Inflation augenscheinlich eine weit größere Gefahr für die Wirtschaftliche Entwicklung als in den Turbulenzen bei einzelnen Banken. Im Februar lag die Inflationsrate im gemeinsamen Währungsraum nach einer Schätzung der europäischen Statistikbehörde Eurostat bei 8,5 Prozent. Steigende Zinsen können hohen Teuerungsraten entgegenwirken, weil sich Kredite verteuern und das die Nachfrage bremst. Stark steigende Zinsen können allerdings Banken unter Druck setzen.
Aus der deutschen Wirtschaft kam Applaus. „Trotz der jüngsten Verwerfungen hält die EZB Kurs und bekämpft die Inflation mit Entschlossenheit. Das ist ein richtiges und wichtiges Signal an die europäische Wirtschaft, die täglich mit den Folgen der Inflation kämpft“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben. „Die Bekämpfung der Inflation und die Stabilität des Finanzsystems sind beides notwendige Voraussetzungen für die dringend erforderlichen Investitionen“, fügte er hinzu.