Harter Wettbewerb im E-Auto-Markt

Warum Tesla trotz Rekordgewinn vor einer unsicheren Zukunft steht

Grünheide: Mitarbeiter gehen über einen Parkplatz in Richtung der Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin.

Grünheide: Mitarbeiter gehen über einen Parkplatz in Richtung der Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin.

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Frankfurt am Main. Bei einem ganz normalen Autobauer würden die Experten nun Jubelgesänge anstimmen. Doch bei Elon Musks Tesla ist alles anders. Der Elektroauto­bauer hat im vergangenen Jahr mit 12,6 Milliarden Dollar den Gewinn mehr als verdoppelt. Die Umsätze wuchsen um rund 50 Prozent auf 81,5 Milliarden Dollar. Das ist mehr, als Analysten erwartet hatten, obgleich schon lange feststand, dass es ein gutes Jahr wird. Allein im vierten Quartal nahm das Unternehmen 24,3 Milliarden Dollar ein.

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Aber für Tesla gelten andere Maßstäbe als für den Rest der Pkw-Welt. Musk hat als Ziel ausgegeben, ein Wachstum von durchschnittlich 50 Prozent pro Jahr hinzulegen. Diese Ansage ist ein wichtiger Faktor für die noch immer enorm hohe Bewertung der Aktie an der Börse – die Anleger gewähren Tesla damit quasi einen Vorschuss auf künftige Gewinne. Aktuell ist das Unternehmen rund 450 Milliarden Dollar schwer, das ist ein Vielfaches des erheblich größeren Volkswagen-Konzerns.

Musk bricht mal wieder ein Tabu

Doch neben den Rekorden hat Musk gerade einen Absatz von etwa 1,8 Millionen Autos für dieses Jahr angekündigt. Das würde aber nur einem Plus von rund 37 Prozent entsprechen. Allerdings frohlockte der Chef und Gründer des E‑Auto-Bauers auch, dass es ohne große Störungen bis zu zwei Millionen Fahrzeuge werden könnten, die in den vier Werken auf drei Kontinenten – darunter Grünheide bei Berlin – gefertigt würden, was einem Ausreizen der absoluten Kapazitäts­grenze entsprechen würde.

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Unter Autoexperten wächst aber die Skepsis, ob es dafür auch noch ausreichend Nachfrage gibt. Da spielen zwei Faktoren eine Rolle: Tesla hat im vierten Quartal 34.000 Autos mehr produziert als ausgeliefert. Es kursiert die Vermutung, dass dies nicht nur an Logistik­problemen liegt, auf die Musk immer wieder hinweist. Denn zudem hat der Autobauer in den vergangenen Monaten mehrfach Preise gesenkt, und zwar deutlich. In einer Telefon­konferenz versuchte Musk gleichwohl, die düsteren Ahnungen zu zerstreuen: „Die Nachfrage wird gut sein, obwohl der Automarkt wahrscheinlich schrumpft.“

Das Reduzieren von Listenpreisen ist eigentlich ein Tabu unter Autobauern. Lieber gewähren sie über Händler Rabatte, offerieren günstige Leasingraten oder legen Sondermodelle mit preiswerten Extras auf – damit die Vergünstigungen nicht so auffallen und Preisschlachten vermieden werden.

Trotz gemischter Bilanz: Tesla meldet Rekordgewinn für 2022

Tesla hat 2022 trotz hoher Inflation, Konjunktur­sorgen und Lieferketten­problemen so viel verdient wie nie zuvor in einem Geschäftsjahr.

Musk bricht mit diesem Tabu. Er hat in China die Preise um bis zu 17 Prozent für die beiden aktuellen Fahrzeuge (Model 3 und Model Y) gesenkt. Auch hierzulande ist das Basis-Model 3 mit 44.000 Euro inzwischen auf dem Niveau des ID.3 von Volkswagen angelangt. Zudem werden laut Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer zunehmend Teslas bei Vermietern und als Autoabos offeriert – was ein weiteres Zeichen für Abschläge sei. Für Dudenhöffer ist klar, was dahintersteckt: „Tesla hat den Preiskampf im jungen Elektroauto­markt ausgerufen.“

Aber warum? Erstens, weil Tesla es sich leisten kann. Die Margen (Gewinn im Verhältnis zum Umsatz) sind erheblich höher als bei der Konkurrenz und im besten Fall noch mit Porsche vergleichbar. Und zweitens, weil Musk auf das besagte aggressive Wachstum – die 50 Prozent jährlich – setzt. Das zwingt ihn, quasi auf Teufel komm raus zu verkaufen. In Europa mit seinem verlangsamten Wachstum des E‑Auto-Marktes seien die Ziele nur erreichbar, wenn er anderen Anbietern Marktanteile wegnehme – was am einfachsten mit günstigen Preisen geht.

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Schwierige Lage in China

In China ist die Lage noch komplizierter. Dort hat Tesla den Nimbus des Technologie­führers verloren. Und Anbieter wie BYD, Nio oder Zeekr sind nach Dudenhöffers Einschätzung auch bei der Qualität der Fahrzeuge an Tesla vorbeigezogen. Musk hat dies gerade indirekt bestätigt, indem er einräumte, dass die härtesten Konkurrenten für seine Marke aus der Volksrepublik kämen. In solch einer Situation ist es naheliegend, mit attraktiven Offerten den Absatz in die Höhe zu treiben.

Erschwerend kommt hinzu, dass von Investoren die Forderung immer lauter wird, die Modellpalette aufzufrischen – je länger ein Auto auf dem Markt ist, desto stärker sinkt sein Absatz. Ferner wird seit geraumer Zeit vergeblich auf den Cybertruck als Novität gewartet – es handelt sich um einen Pritschen­wagen im Science-Fiction-Design. Musk hat jetzt noch einmal bekräftigt, dass er in diesem Jahr auch wirklich kommen soll.

Gleichwohl: „Tesla entwickelt sich vom Produkt­innovator zur Preis-Dumping-Maschine“, so Dudenhöffer. Dies könnte für Musk eine „Teufelsspirale“ in Gang setzen. Diese Risiken haben offenbar auch andere Experten und Investoren erkannt. So lässt sich erklären, warum die Tesla-Aktien in den vergangenen zwölf Monaten – trotz einer Erholung in jüngster Zeit – rund 50 Prozent an Wert verloren haben.

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