Warum Rassismus für Ostdeutschlands Wirtschaft zum Problem wird
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Ein Schild in einem Geschäft in Warnemünde mit der Aufschrift „geschlossen“ (Symbolbild).
© Quelle: imago images/BildFunkMV
Berlin. Für ostdeutsche Unternehmen ist der Fachkräftemangel inzwischen das Problem Nummer eins. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der Bundesregierung, für die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Info GmbH insgesamt 2170 Entscheiderinnen und Entscheider privatwirtschaftlicher Unternehmen in Ostdeutschland befragt hat. Die Studie liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland vor.
Gefragt nach den drei größten Problemen für ihr Unternehmen nennen 51 Prozent der Verantwortlichen den Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Hohe Einkaufspreise (63 Prozent) und Energiekosten (56 Prozent) machen zwar in der Summe noch mehr Unternehmen zu schaffen, in der Rangfolge der Probleme aber wird keines häufiger an erster Stelle genannt als der Fachkräftemangel. Vier von zehn Firmenlenkern geben an, dass sie um die Existenz ihres Unternehmens fürchten, wenn es in den nächsten Jahren nicht gelinge, die Fachkräftelücke zu schließen.
Nur 6,7 Prozent der Belegschaft haben einen Migrationshintergrund
Der Studie zufolge versuchen viele Unternehmen bereits selbst, Rezepte gegen den Mangel an Fach und Arbeitskräften zu finden. Etwa ein Drittel (32 Prozent) bildet aus; zwei Drittel (67 Prozent) bieten Weiterbildungen an. Von der Politik erwarten die Unternehmen vor allem die Förderung von Weiterbildung (34 Prozent) sowie die Bereitstellung von Infrastruktur zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf (27 Prozent), aber auch bessere Integrationsangebote für Arbeitskräfte aus dem Ausland (22 Prozent) und generell mehr Fachkräfteeinwanderung aus dem Ausland (15 Prozent).
Der Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund liegt in den ostdeutschen Unternehmen insgesamt unter dem bundesdeutschen Schnitt. In den befragten Unternehmen hatten im Durchschnitt 6,7 Prozent der Belegschaft einen Migrationshintergrund, bundesweit trifft dies auf etwa 27 Prozent aller Erwerbstätigen zu.
Die Unternehmenslenker verweisen auf eine Vielzahl von Barrieren für die Beschäftigung von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, etwa fehlende Sprachkenntnisse, hohen administrativen Aufwand, schlechtere Qualifikation und kulturelle Unterschiede. Eine zentrale Barriere sind aus Sicht der Entscheiderinnen und Entscheider aber auch Ressentiments in der Bevölkerung beziehungsweise in den Unternehmen selbst. So beklagt ein Drittel der Unternehmen (33 Prozent), dass das Auftreten fremdenfeindlicher Akteure in der Region es erschwert, Beschäftigte aus anderen Ländern anzuwerben und zu halten. Nur ein Drittel (32 Prozent) bewertet die Einstellung der Bevölkerung vor Ort gegenüber Geflüchteten und Zugewanderten als gut.
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Russland und die Ostdeutschen: Ein Streitgespräch zwischen zwei Ex-DDR-Bürgern
Ukraine-Krieg, Putin, Waffenlieferungen und die Demokratie: Wenn es um Russland geht, ticken viele Ostdeutsche anders als Westdeutsche. Warum ist das so? Werner Wienert, Ex-Linken-Chef aus dem brandenburgischen Nuthetal, stellt sich den Fragen von Journalist Jens Steglich. Ein Streitgespräch zwischen Ex-DDR-Bürgern.
Kürzere Öffnungszeiten, Ruhetage oder monatelange Wartelisten sind bereits Realität
Befragt zu den eigenen Einstellungen, findet es nur ein Drittel (33 Prozent) der Entscheiderinnen und Entscheider „gut für Deutschland, dass hier viele aus dem Ausland zugewanderte Menschen leben“. Insgesamt bewerten Unternehmensentscheiderinnen und -entscheider das Thema Migration ähnlich zurückhaltend wie die Gesamtbevölkerung in Ostdeutschland. Aber: Unternehmen mit einem höheren Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund berichten über eine deutlich positivere Einstellung der Bevölkerung an ihrem Standort gegenüber Geflüchteten und Zuwanderern.
„Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften in Ostdeutschland hat bereits heute dramatische Auswirkungen“, sagt der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), dem RND. Kürzere Öffnungszeiten von Bäckereien, Ruhetage in Cafés oder monatelange Wartelisten bei Handwerksbetrieben seien in vielen Teilen Ostdeutschlands inzwischen Alltag, so Schneider weiter. „Durch mehr Frauen in Erwerbstätigkeit und Rückkehrer aus dem Westen allein werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen“, so der SPD-Politiker. „Ostdeutschland braucht deutlich mehr Zuwanderung aus dem Ausland, wenn wir weiter mit Dienstleistungen des Alltags versorgt werden und unseren Lebensstandard halten wollen.“
Schneider appellierte an die Bevölkerung im Osten, die eigene Einstellung zu Zuwanderern zu hinterfragen: „Die allermeisten Menschen, die bei der Arbeit oder im Sportverein mit Einwanderern in Kontakt kommen, machen gute bis sehr gute Erfahrungen. Ressentiments herrschen dagegen vor allem dort, wo es keine Ausländer gibt.“ Scheider warnte vor Konsequenzen für Ostdeutschland, wenn sich das Klima in Teilen der Gesellschaft nicht ändere. „Wer rassistische Einstellungen vertritt, fügt dem Wirtschaftsstandort Ostdeutschland schweren Schaden zu“, warnte der Abgeordnete aus Thüringen.