Bayern und die Windkraft: 60 Prozent akzeptieren Windräder vor der Tür
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Windräder mögen Menschen vor allem, wenn sie sich bei anderen vor der Haustür drehen.
© Quelle: Jan Woitas/dpa
München. Bayern gilt bundesweit als krasser Nachzügler in Sachen Windkraft. Nur 14 von bundesweit 551 Windrädern wurden im Energiekrisenjahr 2022 dort neu gebaut – bei durchschnittlich zehn Jahren Planungszeit. „Fünf neue Windkraftanlagen waren es im ersten Quartal 2023″, bedauert Carolin Friedemann. Aber nun schöpft die Gründerin der Initiative klimaneutrales Deutschland (IKND) Hoffnung, was in erster Linie an den Bürgern des Freistaats liegt. Sie hat IKND vom Marktforschungs-Start-up Civey repräsentativ zur Akzeptanz von Windkraft befragen lassen, und zwar nicht nach allgemeiner Zustimmung für diese Energieform wie oft üblich, sondern gezielt zu Windrädern vor der eigenen Haustür. „Es ist ein eindeutiges Ergebnis“, findet Civey-Forscher Florens Mayer.
„Sechs von zehn Befragten akzeptieren Windkraftanlagen in der eigenen Gemeinde, wenn das Arbeitsplätze in der Region hält oder die Gemeinde finanziell davon profitiert“, erklärt der Experte. Die höchste Zustimmung mit zwei Dritteln gebe es für den Fall, dass die Anlagen sinkende Strompreise mit sich bringen. Auch Friedemann findet die Resultate beeindruckend.
Denn während allgemein kaum jemand etwas gegen Windkraft hat, sieht es in der Praxis dann erfahrungsgemäß ganz anders aus, wenn es um Anlagen vor Ort geht. „Die lokale Akzeptanz hat sich aber nun zum Positiven gewendet“, betont die IKND-Chefin. „Ich kann die Ergebnisse aus meiner Erfahrung bestätigen“, assistiert Renate Deniffel. Sie ist Bürgermeisterin des 2500-Einwohner-Orts Wildpoldsried im Ostallgäu, den sie selbst als „Energiedorf“ vorstellt. Denn dort ist die Energiewende mit Windrädern, Solaranlagen und Biomasse schon gelebte Realität.
„Wir erzeugen achtmal so viel Strom, wie unser Ort braucht, und zudem 60 Prozent des eigenen Wärmebedarfs“, sagt die CSU-Lokalpolitikerin mit einigem Stolz. Das sei als Bürgerprojekt über drei Jahrzehnte hinweg verwirklicht worden, was dazu führt, dass heute jeder zweite Wildpoldsrieder Anteile daran hat. Und die seien sehr lukrativ, betont Deniffel. „Im Schnitt sind es 10 Prozent Ausschüttung pro Jahr auf die geleistete Einlage“, gibt sie Auskunft. 2022, als die Strompreise durch die Decke gingen, seien es sogar 60 Prozent gewesen. Das habe bei manchem am Projekt beteiligten Einwohner dazu geführt, dass seine Erträge daraus höher waren als die Jahresstromrechnung. Auch die Gemeindekasse werde durch das Energieprojekt entlastet, wodurch Vereine und das Gemeinwesen besser unterstützt werden könnten.
Das Energiedorf Wildpoldsried macht es vor
In Wildpoldsried lästert folglich niemand über Verspargelung der Landschaft durch Windräder, wie das Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder lange getan hat. Im Energiedorf zählen die Bewohner eher ihre Gewinne aus den Windkraftanlagen.
„Wir sind eine Toptourismusdestination“, betont die Bürgermeisterin zudem. Die Windräder hätten dem Tourismus nicht geschadet, soll das heißen. „Bürgerwindkraft wie bei uns funktioniert auch fast überall sonst im ländlichen Raum“, ist sich die Politikerin sicher. Rund 800 Besuchergruppen interessierter Gemeinden hätten sich vor Ort schon erkundigt, wie es genau geht.
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Friedemann findet es entscheidend für eine Akzeptanz der Energiewende speziell in ihrer Windkraftform, dass Bürgern deren praktische Vorteile klargemacht werden wie im Beispiel Wildpoldsried. Bei Umfragen würden die höchsten Zustimmungswerte regelmäßig dort erzielt, wo sich bereits Windräder drehen. Der jetzt dokumentierte flächendeckende Gesinnungswandel in der bayerischen Bevölkerung stimmt sie zuversichtlich, dass Bayern das Ziel, schon 2040 klimaneutral zu sein, erreichen könne. Das wäre fünf Jahre früher, als der Bund es plant. Dazu müsste die Politik nur den Bürgern folgen. „Der Rückenwind ist da“, sagt Friedemann mit Blick auf die Umfrage.