Depressionen, Angststörungen, PTBS: Naturkatastrophen wirken sich zunehmend auf die Psyche der australischen Bevölkerung aus
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Knapp drei Jahre ist es her, dass die verheerenden Buschfeuer vor allem im Osten Australiens wüteten.
© Quelle: Rick Rycroft/AP/dpa
Australien gilt als Testlabor des Klimawandels: Allein im Jahr 2022 wurde Australien von fast 50 Naturkatastrophen heimgesucht, darunter Überschwemmungen, Stürme und Buschfeuer. Auch in den Jahren zuvor folgte eine Katastrophe auf die nächste: Vor allem die tragischen Buschfeuer um die Jahreswende 2019/20 machten weltweite Schlagzeilen.
Laut einer Umfrage des Klimarats, die von Beyond Blue, einer Organisation für mentale Gesundheit, unterstützt wurde, ist der Großteil der Menschen in Australien bereits Zeuge einer Naturkatastrophe geworden. So ergab die Befragung von etwa 2000 Australierinnen und Australiern, dass 80 Prozent seit 2019 mindestens einmal Hitzewellen (63 Prozent), Überschwemmungen (47 Prozent), Buschbrände (42 Prozent), Dürren (36 Prozent), intensivere Stürme (29 Prozent) oder Erdrutsche (8 Prozent) erlebt haben.
Konfrontierende Ergebnisse
Alarmierend war dabei, dass die Hälfte der Befragten angab, dass ihre psychische Gesundheit durch das jeweilige extreme Wetterereignis, das sie erlebten, beeinträchtigt wurde. Die häufigsten psychischen Folgen waren Angstzustände, gefolgt von Symptomen, die auf Depressionen oder sogar PTBS hindeuten, eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung. Insgesamt waren Menschen in ländlichen Regionen deutlich stärker betroffen als Menschen in der Stadt.
„Die Ergebnisse dieser Umfrage sind konfrontierend“, sagte Joelle Gergis, Klimawissenschaftlerin an der Australian National University in Canberra. Es sei „herzzerreißend“ zu erkennen, wie viele Menschen mit den Belastungen aufgrund des sich ändernden Klimas leben müssten. Sie halte es daher für äußerst wichtig, sich das Erlebte von Menschen schildern zu lassen, die derartige Katastrophen erlebt haben.
Physische und psychische Bedrohung
Donna Andrews und John Grono sind Opfer einer Naturkatastrophe. Sie stammen aus dem kleinen Ort Bundanoon südlich von Sydney. Im Januar 2020 verloren sie ihr Haus während der tragischen Buschfeuer, die zu dem Zeitpunkt große Teile Ostaustraliens zerstörten. „Wir wussten nicht, wo wir schlafen würden und wo wir auf die Toilette gehen können“, erinnerte sich Andrews im Interview mit der australischen Ausgabe des „Guardian“. Grono, der inzwischen 67 Jahre alt ist, berichtete, dass er zuvor nur in vier unterschiedlichen Häusern gelebt habe, seit dem Brand jedoch in sechs verschiedenen. Drei Jahre später wird das Haus der beiden Australier nun wieder aufgebaut. Trotzdem seien die Auswirkungen des Erlebten „langfristig spürbar“, so Andrews. Sie seien zwar starke Persönlichkeiten, „aber das ist etwas, womit wir unser ganzes Leben lang leben werden“.
Laut Grant Blashki von der Organisation Beyond Blue könne leicht vergessen werden, dass der Klimawandel und die damit einhergehenden Naturkatastrophen „nicht nur eine physische Bedrohung, sondern auch eine Bedrohung für die psychische Gesundheit“ vieler Menschen seien. Betroffene bräuchten niedrigschwelligen Zugang zu psychologischer Hilfe. Daher sei es wichtig, die Gesundheitssysteme in dieser Hinsicht zu stärken. Es brauche eine vielfältigere Belegschaft, von der lokalen Erstversorgung bis hin zur hochspezialisierten psychischen Gesundheitsversorgung.
Kinder sorgen sich, wenn es regnet
Bei einer weiteren ausführlicheren Befragung von 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kam heraus, dass viele Menschen sich während der Naturkatastrophen hilflos fühlten und Symptome von Angst und Depression erlebten. In der Folge litten die Betroffenen zudem häufig an Schlafstörungen. Viele Kinder würden sich inzwischen Sorgen machen, wenn es regne oder der Wind auffrische, berichtete Blashki. All dies zeige, wie wichtig es sei, sich frühzeitig mit diesen Problemen zu befassen und Menschen zum richtigen Zeitpunkt geeignete Unterstützung anzubieten.
Denn eine Besserung der Situation ist nicht in Sicht: Laut Klimawissenschaftlerin Gergis werden sich „extreme Wetterereignisse zuspitzen, während sich unser Planet weiter erwärmt“. Die Auswirkungen, die die Menschheit in den vergangenen Jahren erlebt habe, seien „nur die Spitze des Eisbergs“, so die Forscherin. Sie fordert deswegen, das Thema der Anpassung an den Klimawandel zu einem „nationalen Gesprächsthema“ zu machen. Es müssten dringend Pläne entwickelt werden, um lokale Gemeinschaften zu schützen und zu unterstützen. Zumal durch den Klimawandel verursachte Katastrophen ihrer Meinung nach das Leben unzähliger Australierinnen und Australier auch weiterhin „auf den Kopf stellen“ werden.